rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsinanspruchnahme des GmbH-Geschäftsführers bei Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung. Haftung für Säumniszuschläge ab dem Zeitpunkt der Insolvenzreife der Gesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem Ergehen eines Jahressteuerbescheids tritt die Umsatzsteuerjahresschuld an die Stelle der ursprünglichen Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzungen.

2. Ein GmbH-Geschäftsführer haftet ab dem Zeitpunkt der Insolvenzreife der Steuerschuldnerin im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO nur noch für maximal 50 % der ab diesem Zeitpunkt verwirkten Säumniszuschläge.

3. Ein Geschäftsführer, der während seiner Amtszeit keine Jahresumsatzsteuererklärung abgibt und dadurch eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begeht, kann eine Haftungsinanspruchnahme nicht durch Berufung auf Vertrauensschutz abwenden.

4. Bei einer Haftungsinanspruchnahme nach § 69 AO wegen vorsätzlicher Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen ist die Haftungsinanspruchnahme für die verkürzte Steuer in voller Höhe vorgeprägt, wenn gleichzeitig eine vollendete Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 AO vorliegt.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1, §§ 69, 34, 370 Abs. 1 Nr. 2; InsO § 17 Abs. 2; UStG § 18

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 21. Juli 2008 in Gestalt der Teilwiderrufsbescheide vom 5. Juni und vom 24. September 2009 sowie der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2015 wird dahin gehend geändert, dass die Haftungssumme auf 12 173,76 EUR herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 94 v. H. und dem Beklagten zu 6 v. H. auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Prozessbeteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte die Klägerin als ehemalige alleinige satzungsmäßige Geschäftsführerin einer B. GmbH i. L. mit Sitz in C… wegen rückständiger Abgabenverbindlichkeiten einer … GbR persönlich in Haftung nehmen kann. Es handelt sich um folgende Haftungsbeträge:

Haftungsbescheid vom 21. Juli 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2015: 13 937,76 EUR;

Die B. GmbH i. L. wurde am 16. Oktober 2002 mit Sitz in C. gegründet. Alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin war die 1973 geborene Klägerin, von Beruf Diplom-Verwaltungswirtin. Als Prokurist und sog. Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 der Abgabenordnung (AO) (vgl. rkr. Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 21. Februar 2017 – 9 K 9213/15) fungierte ihr Lebensgefährte, der 1967 geborene E… Die Klägerin und Herr E… haben drei gemeinsame Kinder. Die B… GmbH i. L. wurde am 25. April 2003 in das Handelsregister beim Amtsgericht F… eingetragen (HRB …).

Mit Gründungsvertrag vom 1. August 2004 errichteten die B… GmbH i. L., vertreten durch E…, sowie eine [andere Gesellschaft die hiesige GbR]. Die [andere Gesellschaft] wurde beim Abschluss des Gründungsvertrages durch Frau H., wohnhaft in I., J.-straße, vertreten.

Die … GbR hatte ihren Sitz in K., L.-straße, und damit zunächst im örtlichen Zuständigkeitsbereich des damals noch existierenden FA M. Die … GbR unterlag in den Streitjahren der sog. Soll-Besteuerung. Die Vertretung der …. GbR nach außen übernahm die B. GmbH i. L..

Laut Gründungsvertrag zielte die Gründung der … GbR auf die spätere Gründung einer GmbH & Co. KG. Unternehmenszweck der KG sollte der Erwerb, die Sanierung und die Vermittlung von Immobilienvermögen sein. Zur Eintragung einer solchen GmbH & Co. KG in das Handelsregister kam es nicht.

Am 18. Januar 2005 reichte die … GbR ihre Jahressteuererklärungen für 2004 beim FA M. ein. Darin wurden Umsätze zum Steuersatz in Höhe von 16 v. H. im Umfang von 27 918,00 EUR erklärt. Andere Umsätze wurden nicht erklärt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die … GbR noch keine Steuernummer zugeteilt erhalten. Mit Schreiben vom 23. Mai 2006 teilte das FA M… der Klägerin als Geschäftsführerin der B… GmbH i. L. die StNr. … als fortan gültige Steuernummer der … GbR mit.

Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs schloss die …. GbR u. a. mit einer Bauherrengemeinschaft N. einen auf den 24. Februar 2005 datierten, auf Seiten der … GbR mit dem Firmenstempel der B… GmbH i. L. unterschriebenen Werkvertrag betreffend Um-/Ausbauarbeiten für ein Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück O.-straße in P.. Ihm hing als Vertragsbestandteil ein auf den Gesamtbetrag in Höhe von 330 000,00 EUR lautender Zahlungsplan an. Für dasselbe Bauvorhaben unterzeichneten die Bauherrengemeinschaft und die …. GbR selbst, auf deren Seite zusätzlich mit der Unterschrift eines Architekten Q…, einen gleichlautenden Werkvertrag vom 29. Juni 2005.

Der Bauherrengemeinschaft N. wurden im Streitjahr 2005 entsprechend dem vertraglichen Zahlungsplan bzw. den ihr erteilten Abschlagrechnungen Nr. …. vom 23. September 2005 und Nr. …. vom 4. Novem...

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