Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung der Restschuldbefreiung. Finanzrechtsweg. Voraussetzung der Feststellung eines Zusammenhangs der angemeldeten Forderung mit einer Steuerhinterziehung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bezüglich der Feststellung des Attributs „Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung” im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO ist der Finanzrechtsweg gegeben.

2. Voraussetzung der Feststellung, dass der Schuldner im Zusammenhang mit einer zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist, ist nicht, dass die rechtskräftige Verurteilung bereits bei Anmeldung zur Tabelle vorgelegen hat. Auch müssen Umstände (Tatsachen), aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers der Zusammenhang mit der Steuerstraftat ergibt, nicht bereits bei der ursprünglichen Anmeldung der Forderung vorgetragen werden.

 

Normenkette

AO § 251 Abs. 3, § 370; InsO § 302 Nr. 1; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1; GVG §§ 13, 17a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.06.2022; Aktenzeichen VII R 23/21)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung der Eigenschaft (im Folgenden kurz „Attribut” genannt) „aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat … rechtskräftig verurteilt worden ist” (§ 302 Nr. 1 Alt. 3 Insolvenzordnung – InsO –) für eine Insolvenzforderung des beklagten Finanzamts – FA – durch einen Bescheid gemäß § 251 Abs. 3 AbgabenordnungAO –.

I.1.

Über das Vermögen des Klägers wurde am ….2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dem lag ein Eigenantrag des Klägers vom 13.10.2014 zugrunde, der mit einem Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung verbunden war. Prüfungstermin wurde auf den 13.10.2015 anberaumt.

Mit Schreiben vom 19.08.2015[1] meldete das FA insgesamt 116.642,65 EUR Abgabenforderungen an, die es nach Steuerart, Zeitraum, Fälligkeit und Betrag sowie Nebenforderungen (Zinsen, Säumniszuschläge) im Einzelnen spezifizierte. Ein Hinweis auf einen Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung enthält die Anmeldung nicht. Die Forderung wurde in der Insolvenztabelle unter lfd. Nr. 4 eingetragen. Der Insolvenzverwalter widersprach den hälftigen Säumniszuschlägen, die das FA daraufhin erließ und für welche das FA die Anmeldung (in Höhe von 4.856,25 EUR) zurücknahm. Der Insolvenzverwalter bestritt ferner die Forderung bezüglich ESt 2004 mit dem Hinweis auf Verjährung. Dieses Bedenken konnte das FA jedoch durch nachfolgenden Schriftwechsel mit dem Insolvenzverwalter ausräumen. Im Ergebnis wurde die Forderung, ohne dass es bis dahin zu einem Widerspruch des Klägers als Schuldner gekommen wäre, am 05.11.2015, teilweise nachträglich, festgestellt[2] in Höhe von 111.786,40 EUR.

2.

Mit Strafbefehl vom 06.04.2016[3], rechtskräftig seit dem 06.05.2016, wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt.

3.

Mit Schreiben an den Insolvenzverwalter vom 24.08.2016 mit dem Betreff „Berichtigung der Tabelle” bat das FA, die Insolvenztabelle zur lfd. Nr. 4 insoweit zu ergänzen, „dass es sich bei den dortigen Insolvenzforderungen um von der Restschuldbefreiung gemäß § 302 Abs. 1 InsO ausgeschlossene Abgabenforderungen handelt.”

Mit Schreiben vom 29.08.2016 wies der Insolvenzverwalter darauf hin, dass sich die angemeldeten Abgabenrückstände und die Verurteilung nicht vollständig deckten, und forderte zur Konkretisierung auf.

Mit Schreiben vom 06.09.2016[4] berichtigte das FA seinen „Antrag vom 24.08.2016 auf Berichtigung der Tabelle” dahingehend, dass die Insolvenztabelle insoweit ergänzt werden sollte, als es sich in Höhe eines Teilbetrages von 68.472,95 EUR um Forderungen aus einer Steuerstraftat nach § 370 AO handeln würde, für die gemäß § 302 Abs. 1 InsO die Restschuldbefreiung ausgeschlossen sei. Eine konkretisierende Einzelaufstellung war beigefügt.

In die Tabelle wurde am 13.09.2016 eingetragen[5]: „In dem festgestellten Betrag ist ein Betrag in Höhe von 68.472,95 EUR aus Steuerstraftat gem. §§ 370 ff. AO enthalten.”

Am 26.09.2018 beschloss das Insolvenzgericht – Rechtspflegerin –[6], dass die Prüfung der bis 26.09.2018 nachträglich angemeldeten gewöhnlichen Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) im schriftlichen Verfahren erfolgt.

Am 28.09.2018[7] übersandte das Insolvenzgericht dem Kläger eine Abschrift des Beschlusses. Es wies dabei darauf hin, dass die entsprechend gekennzeichneten Forderungen (Nr. 4 und 6[8] der Tabelle) mit dem Forderungsgrund unerlaubte Handlung, vorsätzliche Unterhaltspflichtverletzung oder Steuerstraftat angemeldet worden und daher grundsätzlich von der Restschuldbefreiung ausgenommen seien, wenn sie zur Tabelle festgestellt worden seien. Kopien der Forderungsanmeldung fügte es bei. Es wies weiter darauf hin, dass gemäß §§ 175 Abs. 2, 302 InsO der Kläger widersprechen könne und der Widerspruch darauf beschränkt werden kö...

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