rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundfreibetrag und Freibeträge für Kinder in den Jahren 2011 und 2012 nicht verfassungswidrig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1, Abs. 5 EStG sowie der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in den Veranlagungszeiträumen 2011 und 2012 ist nicht verfassungswidrig zu niedrig (Anschluss an den vom Kläger im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung herbeigeführten BFH-Beschluss v. 19.3.2014, III B 74/13).

2. Der Grundfreibetrag ist auch nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil die konkrete Höhe der Unterkunftskosten im Sozialhilferecht nicht durch Parlamentsgesetz, sondern durch Landesverordnungen festgelegt wird.

3. Es bedarf keiner Erfassung erwerbsbedingter Aufwendungen im Grundfreibetrag, weil diese nach §§ 4 Abs. 4, 9 EStG als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigungsfähig sind. Dass im Sozialrecht ein höherer Betrag für die erwerbsbedingten Kosten pauschal ohne Nachweis berücksichtigt wird als im Steuerrecht, stellt keine unzulässige Ungleichbehandlung dar.

4. Eine Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrags in 2012 ergibt sich nicht schon daraus, dass der sozialhilferechtliche Regelbedarf zwischen 2011 und 2012 um 120,00 EUR pro Jahr gestiegen ist, der Grundfreibetrag aber nicht. Denn es kommt in jedem Jahr lediglich darauf an, ob der Grundfreibetrag mindestens den Mindestbedarf abdeckt.

 

Normenkette

EStG 2011 § 32a Abs. 1, 5, § 32 Abs. 6; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.08.2016; Aktenzeichen III B 88/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1, Abs. 5 EinkommensteuergesetzEStG – und der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in den Streitjahren 2011 und 2012.

Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Sie leben mit ihrer 2004 geborenen Tochter in C.

Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 10.12.2012 die Einkommensteuer 2011 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – VdN – auf 9.287,00 EUR fest. Die Kläger legten am 27.12.2012 Einspruch ein. Mit Bescheid vom 29.01.2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2011 (aus nicht streitgegenständlichen Gründen) nach § 164 Abs. 2 AbgabenordnungAO – geändert unter Aufhebung des VdN auf 9.297,00 EUR fest. Mit Bescheid vom 11.04.2014 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2012 auf 15.461,00 EUR fest. Die Kläger legten am 07.05.2014 Einspruch ein. Die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 ergingen hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge und des Grundfreibetrags nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO vorläufig. Mit verbundener Einspruchsentscheidung vom 21.05.2014 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 als unbegründet zurück.

Am 20.06.2014 haben die Kläger Klage erhoben. Sie meinen, die angefochtenen Bescheide verletzten sie in ihren Grundrechten gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG –. Die Höhe des Grundfreibetrags in den Streitjahren (jeweils 8.004,00 EUR pro Jahr) verletze sie in ihrem Recht auf Gleichbehandlung und ihrer Würde, und es liege zugleich ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – sei das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Familie steuerfrei zu stellen. Es müsse mindestens der Betrag steuerfrei gestellt werden, welchen der Staat einem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stelle. Der Grundfreibetrag müsse daher mindestens dem sozialhilferechtlichen Bedarf gemäß den jeweils geltenden Bestimmungen im Bereich der Sozialhilfe entsprechen. In den Streitjahren habe der Grundfreibetrag das sozialhilferechtliche Mindestexistenzminimum in Gestalt des Regelbedarfs, also des Regelsatzes zzgl. der Kosten der Unterkunft und Heizung, jedoch mehr als unerheblich unterschritten. Auszugehen sei von den Regelungen der Bücher II und XII des Sozialgesetzbuches – SGB II und SGB XII –. Der Regelbedarf nach SGB II/XII habe im Jahr 2011 bei monatlich 364,00 EUR, also jährlich 4.368,00 EUR und im Jahr 2012 bei monatlich 374,00 EUR, also jährlich 4.488,00 EUR gelegen. Es sei schon verfassungswidrig, dass der Regelbedarf zwischen 2011 und 2012 um 120,00 EUR gestiegen sei, der Grundfreibetrag aber nicht. Zusätzlich zum Grundfreibetrag seien im Hinblick auf § 22 Abs. 1 SGB II und Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG die angemessenen Kosten der Unterkunft steuerfrei zu stellen. Die nach der Rechtsprechung des BVerfG erforderliche konkrete Festlegung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung durch ein Gesetz fehle, sodass der Grundfreibetrag schon deshalb verfassungswidrig sei. Die Bundesregierung gehe im Existenzminimumbericht von einer a...

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