Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.01.2001; Aktenzeichen VI R 64/98)

 

Tenor

1. Der Verwaltungsakt vom 16.7.1996 und die Einspruchsentscheidung vom 28.10.1996 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, das Kindergeld ab April 1996 auf monatlich 700 DM und von Januar bis Dezember 1997 auf monatlich 740 DM festzusetzen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluß festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet.

5. Der Streitwert wird auf 14.440 DM festgesetzt.

6. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin (Klin) in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) einen Wohnsitz hat.

Die … geborene, ledige Klin ist von Beruf … Sie lebt mit ihren drei in Deutschland geborenen Söhnen N. (geb. … 1988), K. (geb. … 1990) und A. (geb. … 1992), für die ihr das alleinige Sorgerecht zusteht, auf der griechischen Insel … beim Vater der Kinder, dem dort ansässigen … Die beiden ältesten Kinder besuchen auf … auch die Schule. Gemeldet ist die Klin ausweislich der Aufenthaltsbescheinigung der Gemeinde … vom 27.1.1998 mit alleiniger Wohnung in der … einem von ihren Eltern bewohnten, 1993 erstellten Einfamilienhaus.

Die Klin gab beim Finanzamt (FA) u.a. in den Jahren 1993 und 1994 sowie 1996 und 1997 Einkommensteuer (ESt)-Erklärungen ab. Hierin erklärte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Einnahmen bezog sie von ihrem Vater, der als Einmannbetrieb in … ein … unternehmen unterhält. Lohnsteuer (LSt) und Sozialversicherungsbeiträge behielt er nicht ein. Die bestandskräftigen Steuerveranlagungen führten zu keiner Steuerschuld. Am 26.3.1998 stellte die Klin desungeachtet beim FA … den Antrag, sie ab dem Veranlagungszeitraum (VZ) 1996 ausdrücklich als gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.

Nachdem ein Mitarbeiter des Außendienstes des beklagten Arbeitsamtes (AA) unter der angegebenen Anschrift … am 25. und 30.4. sowie 2.5.1996 niemand antraf, die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) … die telefonische Auskunft erteilte, die Klin sei nicht als sozialversicherungspflichtig gemeldet und das Einwohnermeldeamt der Gemeinde … zwar bestätigte, daß sie noch unter dieser Adresse gemeldet ist, jedoch ergänzend darauf hinwies, daß sich die Klin angeblich in Griechenland aufhalte, hob der Beklagte (Bekl) am 16.7.1996 die Festsetzung des bisher für die drei Söhne gewährten Kindergeldes ab April 1996 auf. Zur Begründung führte das AA aus:

„Ihre Kinder können bei der Festsetzung des Kindergeldes nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie sich in Griechenland aufhalten. Die Voraussetzungen des § 62 EStG liegen nicht vor.”

Die Klin ließ rechtzeitig Einspruch einlegen und trug zur Begründung vor, sie habe –wie ihre Kinder– den Wohnsitz im Inland, und zwar in … Sie sei lediglich gezwungen, sich häufiger in Griechenland aufzuhalten, da sie an einer Allergie leide, die dort nicht so sehr zum Ausbruch komme.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 28.10.1996 führte das beklagte AA u.a. aus, wer sich mit seiner Familie im Ausland aufhalte und seine inländische Wohnung zwar beibehalte, aber nicht mit der erforderlichen Regelmäßigkeit benutze, könne gleichwohl einen inländischen Wohnsitz haben, sofern die Dauer des Auslandsaufenthalts sechs Monate nicht überschreite. Die Klin halte sich jedoch mit den drei Söhnen bereits seit mindestens drei Jahren bei deren Vater in Griechenland auf.

Mit der fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klin u.a. zusätzlich vor, sie bewohne in unentgeltlich ein ihren Eltern gehörendes Einfamilienhaus. Es bestehe zwar kein schriftlicher Vertrag, sie sei jedoch über die Räume verfügungsberechtigt. Bereits seit längerer Zeit sei geplant, daß sie Eigentümerin des Hauses werde. Die Klin und ihre Schwester S. die in dem Wohnhaus ein Zimmer bewohne sowie Küche, Bad und Wohnzimmer mitbenutze, seien mit den Eltern übereingekommen, daß sie bis zur Eigentumsübertragung das gesamte Haus als eigenes betrachten dürfe. Sie müsse lediglich ihrer Schwester ein Zimmer zur Verfügung stellen, die dafür die laufenden Kosten trage.

Das vollunterkellerte Gebäude bestehe im Erdgeschoß (EG) aus einem Wohn-/Eßzimmer, Küche, Schlafzimmer, Speisekammer, Bad, Toilette, Flur und Diele und im Dachgeschoß (DG) aus einem Schlaf- sowie zwei Kinderzimmern. Die Wohnung sei so mit eigenen Möbeln und Hausrat ausgestattet, daß sie jederzeit als Bleibe dienen könne. Es handele sich nicht lediglich um eine bloße Übernachtungsmöglichkeit anläßlich von Besuchen: Vielmehr habe sie hier ihren festen Wohnsitz.

Die Klin gibt an, diese Wohnung mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu nutzen. Während ihr damaliger Prozeßbevollmäch...

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