Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftung der Beteiligten einer Organträger-GbR für die Umsatzsteuerschulden der Organgesellschaft, die aus deren nach dem Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Organgesellschaft und der Anordnung der Sicherungssequestration getätigten Umsätzen resultieren; Beendigung einer Organschaft durch die Anordnung einer bloßen Sicherungssequestration

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Organschaftsverhältnis zwischen einer GbR als Organträgerin und einer GmbH als Organgesellschaft, bei der die Gesellschafter der Organträger-GbR Geschäftsführer und Gesellschafter der Organgesellschaft sind, endet bereits mit der dem Antrag der GmbH auf Eröffnung des Konkursverfahrens folgenden Anordnung einer bloßen Sicherungssequestration, verbunden mit einem allgemeinen Veräußerungs- und Verfügungsverbot, da dem Sequester eine Stellung zukommt, die eine vom Willen der Organträgergesellschaft getragene Willensbildung bei der Organgesellschaft nicht mehr zulässt (entgegen BFH-Urteil vom 13.3.1997 - V R 96/96, BFH/NV BFH/R 1997, 398).

2. Die Beteiligten der Organträger-GbR haften nach §§ 421, 427 BGB für die Umsatzsteuerschulden der Organgesellschaft, die aus bis zur Anordnung der Sicherungssequestration - der Beendigung des Organschaftsverhältnisses - getätigten Umsätzen resultieren. Dies gilt auch für die Umsatzsteuer, die aufgrund des Ablaufs des Voranmeldungszeitraums erst nach dem Ende der Organschaft entsteht.

 

Normenkette

UStG 1993 § 2 Abs. 2 Nr. 2; KO §§ 106, 6; UStG 1993 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a; AO 1977 § 191 Abs. 1, 4; BGB §§ 421, 427

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.08.2001; Aktenzeichen V R 34/01)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger zu Recht als Beteiligter einer Organträgergesellschaft für rückständige Umsatzsteuer in Haftung genommen worden ist.

Der Kläger gründete zum 01. Januar 1987 zusammen mit … – MF – eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts unter der Firmenbezeichnung CNC … …. Zu diesem Zweck brachte er die gesamten Aktiva und Passiva seines bisherigen Einzelunternehmens in die GbR ein. Gegenstand des Unternehmens war der Vertrieb von CNC-gesteuerten Werkzeugmaschinen sowie die Übernahme des Kundendienstes für CNC-Maschinen. Am 14. April 1989 wurde die Gesellschaft als Offene Handelsgesellschaft – OHG – in das Handelsregister eingetragen.

Kurz zuvor hatten die Gesellschafter mit notariellen Vertrag vom 04. November 1988 das Geschäftsgrundstück W. in M. zur gesamten Hand erworben. Auf diesem Grundstück wurde das Unternehmen der Gesellschaft betrieben.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 20. Juni 1990 gründeten die Gesellschafter der OHG zum 01. Januar 1990 die C. GmbH (Betriebs-GmbH). Das Stammkapital von 100.000 DM, das der Kläger und der Mitgesellschafter zu je 50 % übernahmen, wurde durch Übertragung des Vermögens der Firma CNC-… OHG erbracht. Die Gesellschafter waren lt. Geschäftsführervertrag vom 04. Juli 1990 jeweils zur alleinigen Geschäftsführung befugt.

Das Unternehmen der GmbH wurde auf dem bisherigen Geschäftsgrundstück, das im Eigentum der aus den Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts verblieb, betrieben. Die GbR vermietete das 29,82 a große Geschäftsgrundstück für jährlich 12.000 DM (netto) umsatzsteuerpflichtig an die GmbH (Mietvertrag vom 28. Dezember 1989).

Das Finanzamt (FA) vertrat in der Folge die Auffassung, dass im Verhältnis der GbR und der GmbH sowohl eine Betriebsaufspaltung als auch eine umsatzsteuerliche Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) vorliege. Es rechnete deshalb die Umsätze der GmbH der Organträgerin GbR ab dem 01. Januar 1990 zu.

Am 28. Januar 1994 stellte die D. Bank Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH. Daraufhin ordnete das Amtsgericht V. … durch Beschluss vom selben Tage zur Sicherung der Masse an:

  1. „Die Sequestration des Geschäftsbetriebes der Schuldnerin.
  2. Zum Sequester wird bestellt…….
  3. Zugleich wird heute, 10.00 Uhr, der Schuldnerin verboten, Gegenstände ihres Vermögens zu veräußern oder über sie sonst zu verfügen (allgemeines Veräußerungsverbot). Unter dieses Verbot fällt auch die Einziehung von Außenständen. Drittschuldner haben ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Schuldnerin sofort bei Fälligkeit unter Angabe vorstehenden Beschlusses an den Sequester zu erfüllen.

    Zahlungen an die Schuldnerin oder ihren Bevollmächtigten die entgegen vorstehendem Verbot erfolgen, sind rechtsunwirksam.”

Mit Beschluss vom 31. März 1994 wurde sodann das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Da die Vollstreckung (Bankpfändungen und Pfändungen der Mietforderungen) der auf die Zeit vor Eröffnung des Konkursverfahrens entfallenden Umsatzsteuer-Rückstände gegen die GbR weitestgehend erfolglos blieb, nahm das beklagte FA den Kläger mit Haftungsbescheiden vom 01. Juli 1994 (Nr. 1) und vom 13. Januar 1995 (Nr. 2) gemäß § 191 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 718, 427 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die folgenden Beträge in Haftung:

1. Haftungsbescheid Nr. 1 vom 01. Juli 1994:

Abg...

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