Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtrückkehrtage eines Schweizer Grenzgängers bei nächtlichem Bereitschafts-Dienst

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Nichtrückkehrtag i. S. d. Art. 15a Abs. 2 S. 1 DBA-Schweiz liegt auch dann vor, wenn der Grenzgänger aufgrund eines Pikett-Dienstes verpflichtet ist, nach der Beendigung seiner aktiven Arbeitszeit vor Mitternacht am Arbeitsort zu übernachten, wenn er dabei höchstens ein bis zweimal im Jahr wegen eines Notfalls während des Bereitschaftsdienstes aktiv wird und ansonsten schläft.

2. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Nachtdienst nicht auf die Jahresarbeitszeit angerechnet und nur gering entlohnt wird.

 

Normenkette

DBA CHE Art. 15 Abs. 1 S. 1, Art. 15a, 24 Abs. 1 Nr. 1d; EStG § 1 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid vom 30. Juni 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 16. September 2009 wird (ersatzlos) aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am xx.xx. 1965 geborene Kläger ist seit dem xx.xx. 1993 verheiratet. Er wird auf seinen in der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2007 (Streitjahr) gestellten Antrag (Zeilen 18 und 19 der Mantelbögen zu den Einkommensteuererklärungen für das Streitjahr) getrennt von seiner Ehefrau (der Klägerin) zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger hat eine Ausbildung zum Sport- und Gymnasiallehrer abgeschlossen. Im Übrigen hat er Erziehungswissenschaften studiert.

Der Kläger arbeitet seit dem xx.xx. 1992 als Sozialpädagoge mit einem Pensum von 100 % für die Landschule R in L (Kanton X/CH – im Folgenden: Landschule –). Die Entfernung zwischen seinem Wohnort in A/Markgräflerland/Bundesrepublik Deutschland und seinem Arbeitsort in L/CH beträgt 12,1 km. Nach dem Routenplaner von google.maps ist die Fahrtdauer ca. 15 Minuten. Der Kläger gibt 25 – 30 Minuten Fahrzeit an.

Die Landschule wurde im Streitjahr in der Rechtsform einer (privatrechtlichen) Stiftung geführt, der ein Stiftungsrat vorsteht. Der Zweck der Stiftung ist die Führung eines Heimes, in dem Kinder im schulpflichtigen Alter aufgenommen werden, die Erziehungsschwierigkeiten bereiten und infolge ihrer Familienverhältnisse einer geeigneten häuslichen Erziehung entbehren. Die Landschule ist eine vom Kanton X anerkannte Institution, die als einzige Sonderschule in diesem Kanton die Anerkennung für das Führen einer internen Sekundarschule auf Niveau E besitzt.

Zwischen der Landschule und dem Kanton X besteht eine Leistungsvereinbarung. Der Kanton X finanziert die Schule weitgehend (s. die Verordnung über die Leistungen des Bundes für den Straf- und Maßnahmenvollzug vom 29. Oktober 1986 – LSMV – Systematische Rechtssammlung – SR – 341.1, www. admin.ch). Nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe h LSMV muss die Landschule eine umfassende und, abgesehen von höchstens 14 Tagen Betriebsferien, ganzjährige Betreuung anbieten. Auf der Grundlage der Leistungsvereinbarung werden pro Kind und Monat Pauschalen vom Kanton X an die Landschule gezahlt. Diese Zahlungen müssen ausreichen zur Finanzierung der Aufwendungen der Landschule. Die Höhe der Zahlungen sind so bemessen, dass die Bediensteten der Landschule nicht besser gestellt werden als die Bediensteten, die unmittelbar in einer vergleichbaren Position beim Kanton X beschäftigt sind.

Lt. Ziff. 7 des Arbeitsvertrages vom xx.xx. 2002 betrug die Arbeitszeit des Klägers 46 Stunden pro Woche und die Tagesarbeitszeit 9,2 Stunden. Die Mehrarbeit von 4 Stunden pro Woche gegenüber der im Kanton X geltenden 42 Stunden-Woche wurde mit 4 Wochen Ferien kompensiert.

Nach Ziff. 6 des Arbeitsvertrages vom xx.xx. 2006 wurden dem Kläger für Samstags-, Sonntags- und Nachtpikettdienste Zulagen separat vergütet. Die diesbezüglichen Bestimmungen sind in der Arbeitszeit-Freizeit-Ferien-Regelung vom Januar 2002 enthalten. Die Vergütung betrug 8.50 CHF pro Stunde (vgl. im Übrigen § 33 der [kantonalen] Verordnung zur Arbeitszeit vom 4. Januar 2000, Systematische Gesetzessammlung des Kantons X – SGS – 153.11, www.baselland.ch). Der in der Landschule notwendige Pikettdienst war zusätzlich zur vereinbarten Arbeitszeit zu leisten. Der Pikettdienst beinhaltet die Verpflichtung zur Anwesenheit in der Landschule und wurde mit der gleichen Zulage abgegolten wie die Wochenenddienste. Im Übrigen waren auch Arbeitsstunden (z.B. von 20.00 – 22.00 Uhr) während der normalen Arbeitszeit zulagenberechtigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Bestimmungen in der Ar...

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