Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch gegen den Rechtsgrund der zur Tabelle angemeldeten Forderung. Feststellung des Rechtsgrunds der Steuerhinterziehung. rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat. Mindeststrafe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein isolierter Widerspruch nur gegen den Rechtsgrund der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung ist zulässig. Aufgrund eines solchen Widerspruchs darf das FA durch Feststellungsbescheid (nur) über den Rechtsgrund (hier: der Steuerhinterziehung) entscheiden.

2. Eine Steuerhinterziehung ist keine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung.

3. Das FA kann auch dann den Rechtsgrund der Steuerhinterziehung mit Bescheid feststellen, wenn nur der Schuldner (und nicht auch der Insolvenzverwalter) dem Rechtsgrund widerspricht.

4. Der Schuldner ist auch dann wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt, wenn neben dem Schuldspruch eine Strafe bestimmt und die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten worden ist, und zwar auch dann, wenn der Vorbehalt der Verurteilung zu einer Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit nicht zum Tragen kommt. Auch hinsichtlich der Nebenleistungen eine rechtskräftige Verurteilung notwendig.

5. Der Gesetzgeber hat in § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei der Versagung der Restschuldbefreiung wegen einer Insolvenzstraftat eine Mindeststrafe aufgenommen (Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten), nicht aber bei den nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommenen Forderungen.

 

Normenkette

AO § 251 Abs. 3, § 370; InsO § 174 Abs. 2, § 185 S. 1, § 290 Abs. 1 Nr. 1, § 302 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.08.2018; Aktenzeichen VII R 24, 25/17)

BFH (Urteil vom 07.08.2018; Aktenzeichen VII R 25/17)

BFH (Urteil vom 07.08.2018; Aktenzeichen VII R 24/17)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 17. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2016 wird aufgehoben, soweit dieser für einen Betrag von mehr als 18.282,50 EUR die Feststellung enthält, die dortgenannten Verbindlichkeiten würden nach § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung einer möglichen Restschuldbefreiung nicht berührt werden, weil sie, die Klägerin, diese Beträge verkürzt habe und deshalb wegen einer Steuerstraftat nach § 370 AO rechtskräftig verurteilt worden sei; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin drei Viertel, der Beklagte ein Viertel.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 EUR festgesetzt, hat die Klägeirn in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war notwendig.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Finanzbehörde bei einem Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderung (hier: Steuerhinterziehung) in einem Feststellungsbescheid entscheiden durfte. Außerdem ist darüber zu befinden, ob die Klägerin wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist und ob die danach verkürzten Beträge als Verbindlichkeiten anzusehen sind, die von der Erteilung einer möglichen Restschuldbefreiung nicht berührt werden können.

Die Klägerin war zumindest seit dem 1. Januar 2005 als selbständige Handelsvertreterin tätig. Umsatzsteuererklärungen gab sie nicht oder erst verspätetet ab.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) setzte im Anschluss an eine Außenprüfung in den geänderten Bescheiden für die Jahre 2005 und 2006 sowie 2008 und 2009 Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest. Die Umsatzsteuerbescheide wurden bestandskräftig. Im Verlauf der Außenprüfung hatte die Straf- und Bußgeldsachenstelle beim Finanzamt Y ein Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin eingeleitet.

Das Amtsgericht (AG) X erließ am 4. Juni 2012 auf Antrag der Straf- und Bußgeldsachenstelle gegen die Klägerin einen Strafbefehl wegen (vorsätzlicher) Hinterziehung von Umsatzsteuer 2005 und 2006 sowie 2008 und 2009 nach § 370 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Die hinterzogene Umsatzsteuer wird im Strafbefehl mit insgesamt 20.596,57 EUR angegeben, im Einzelnen wie folgt:

Jahr

Betrag

2005

3.078,39 EUR

2006

4.712,29 EUR

2008

7.007,17 EUR

2009

5.798,72 EUR

Summe

20.596,57 EUR

Steuerliche Nebenleistungen wie Zinsen und Säumniszuschläge werden im Strafbefehl nicht aufgeführt.

Die Klägerin wurde gemäß § 59 des Strafgesetzbuchs (StGB) verwarnt. Die Festsetzung einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 75 Tagessätzen zu je 15 EUR blieb vorbehalten für den Fall, dass sich die Klägerin nicht bewährt. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre bestimmt.

Die Klägerin legte gegen den Strafbefehl keinen Einspruch ein, so dass dieser mit Ablauf des 21. Juni 2012 r...

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