Entscheidungsstichwort (Thema)

DBA-Schweiz. Nichtrückkehrtage eines Grenzgängers bei Geschäftsreisen in Drittstaaten. Abweichung von Verständigungsvereinbarungen. Handlungsbevollmächtigter nach Schweizer Obligationenrecht ist kein leitender Angestellter

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Grenzgängereigenschaft i. S. d. Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz ist erfüllt, wenn der Arbeitnehmer die Grenze mehr als nur gelegentlich, wenn auch nicht täglich überquert.

2. Eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten sowie Tage, an denen der Arbeitnehmer nach einer mehrtägigen Geschäftsreise in Drittstaaten an seinen Wohnsitz zurückkehrt, sind keine Nichtrückkehrtage i. S. d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA-Schweiz 1971/1992.

3. Verständigungsvereinbarungen zwischen der deutschen und Schweizer Finanzverwaltung kommt keine unmittelbare Gesetzeskraft zu, sondern dienen dem Gericht lediglich als Auslegungshilfe.

4. Der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit, wegen der von den deutschen Steuerbehörden gegenüber der eidgenössischen Steuerverwaltung eingegangenen Verpflichtung, eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten als Nichtrückkehrtage zu behandeln, ein Verständigungsverfahren oder ein Erlassverfahren zu beantragen.

5. Ein Handlungsbevollmächtigter i. S. d. Art. 462 des Schweizerischen Obligationenrecht (OR) einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft ist kein leitender Angestellter i. S. d. Art 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz.

 

Normenkette

DBA CHE 1971/1992 Art. 15a Abs. 1 S. 1; DBA CHE 1971/1992 Art. 15a Abs. 2 S. 2; DBA CHE 1971/1992 Art. 15 Abs. 4 S. 1; DBA CHE 1971/1992 Art. 3 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.06.2010; Aktenzeichen I R 115/08)

BFH (Urteil vom 09.06.2010; Aktenzeichen I R 115/08)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 25. Februar 1965 geborene Kläger wird für den Veranlagungszeitraum 2001 (Streitjahr) zur Einkommensteuer allein veranlagt.

Der Kläger arbeitete bis zum 31. März 2001 für das Unternehmen X International in den USA, das in den Y Konzern (bzw. in die Q-Gruppe) übernommen wurde. Sein Arbeitsort war in Chicago. Seinen Wohnsitz hatte der Kläger bis zum Ende dieses Arbeitsverhältnisses in U/Illinois/USA (Hinweis auf die Mastercardabrechnungen vom 12. November 2001 zu 5., Bl. 225 der FG-Akten; vom 11. Oktober 2001 zu 4., Bl. 216 der FG-Akten).

Ab dem 1. April 2001 arbeitete der Kläger für die Y Management AG, deren Sitz sich in Basel, befindet (im folgenden: Y-AG bzw. Arbeitgeberin; Hinweis u.a. auf die Angaben im Lohnausweis für das Streitjahr, Bl. 49/2001 der Einkommensteuerakten, Band I –ESt-Akten–). Seit diesem Zeitpunkt wohnte der Kläger (zuerst provisorisch, bis die Wohnung vollständig eingerichtet war) in Z,. Beim Einwohnermeldeamt als zugezogen meldete er sich am 25. Mai 2001 (Hinweis auf den Aktenvermerk vom 9. November 2001, Bl. 2/2001/Rückseite der ESt-Akten). Zuerst war er am Wohnsitz seiner Eltern in Bayern,– der Form halber– gemeldet. Wegen des Umzugs aus den USA nach Z machte der Kläger Werbungskosten in Höhe von 22.000 DM geltend (Nr. 3 Buchstabe b des Vordrucks „Arbeitsaufnahme als Grenzgänger”, Bl. 1 und 2/2001 der ESt-Akten).

Die Y-AG wurde von der Y Holding AG (im folgenden: Y-H-AG) mit der Geschäftsführung beauftragt. Die Y-AG, deren Statuten dem Finanzgericht (FG) vorgelegt wurden (Bl. 142-149 der FG-Akten), hatte im Streitjahr kein Organisationsreglement im Sinne des Art. 716b des Schweizerischen Obligationenrechts (im folgenden: OR; zum OR als Bestandteil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB]: Bucher in: Basler Kommentar, Honsell Vogt Wiegand [Hrsg.], Obligationenrecht I, 4. Aufl., 2007, –im folgenden: OR I-Bearbeiter– Einl. vor Art. 1 ff), sondern erst ab dem Jahr 2005 (so die telefonische Auskunft vom 14. Juli 2008 durch das Mitglied des Verwaltungsrates der Y-AG, B. Deshalb wurde dem FG das (auch für die Y-AG maßgebliche [Hinweis auf die zuvor erwähnte Auskunft]) Organisationsreglement der Y-H-AG (Bl. 168-178 der FG-Akten) vorgelegt (Hinweis auf das Schreiben vom 3. Juli 2008 der Y-AG, unterzeichnet von B Bl. 264 der FG-Akten).

Nach Artikel 15 der Statuten kann der Verwaltungsrat in allen Angelegenheiten Beschluss fassen, die nicht nach Gesetz oder Statuten der Generalversammlung zugeteilt sind. Er hat u.a. die in Artikel 716a OR umschriebenen, unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben (Homburger in: Homburger, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht, Teilband V 5b, Zürich, 1997, Art. 716a Rn. 573 – 577). Nach Artikel 16 der Statuten kann er nach Maßgabe eines Organisationsreglementes die Geschäftsführung oder einzelne Zweige derselben an einzelne seiner Mitglieder (Delegierte) oder Dritte (Direktoren) übertragen. Der Verwaltungsrat kann Prokuristen und andere Bevollmächtigte ernennen. Der Verwaltungsrat bestimmt die Art der Zeichnung, auch diejenige seiner Mitglieder. Nach Ziff. 2.2 Buchstabe f des Organisationsreglementes hat der Verwaltungsrat als unü...

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