Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfolgung des Widerspruchs gegen die Anmeldung einer Steuerforderung zur Insolvenztabelle durch den Schuldner
Leitsatz (redaktionell)
1. Liegt für eine vom FA zur Tabelle angemeldete Forderung, die der Schuldner im Prüfungstermin bestritten hat, ein vollstreckbarer Steuerbescheid vor, ist der Widerspruch vom Schuldner im Einspruchsverfahren und nicht durch Klage vor dem FG zu verfolgen.
2. Der Schuldner hat binnen eines Monats das Einspruchsverfahren wieder aufzunehmen und eine Entscheidung des FA herbeizuführen.
3. Solange das Einspruchsverfahren nicht wieder aufgenommen wurde, besteht für den Schuldner keine Möglichkeit, das FG anzurufen.
Normenkette
InsO § 180 Abs. 1, § 184 Abs. 1; AO § 251 Abs. 3; GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 46 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin als Insolvenzschuldnerin gegen das Finanzamt wegen Widerspruchs gegen vom Insolvenzverwalter anerkannter Forderungen klagen kann.
Der Beklagte hatte am … Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide für 2003 bis 2005 bezüglich der Klägerin erlassen, gegen die diese Einspruch einlegte. Daraufhin eröffnete das Amtsgericht B mit Beschluss vom … (Az. …) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin. Mit Schreiben vom 11. August 2010 meldete der Beklagte Abgabenforderungen in Höhe von insgesamt … EUR zur Insolvenztabelle an; auf die Aufstellung auf Bl. 73 der Vollstreckungsakten wird Bezug genommen. Die Anmeldung ging am 13. August 2010 beim Insolvenzverwalter ein.
Während der Insolvenzverwalter die angemeldeten Beträge in voller Höhe („Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2010 sowie Zinsen” in Höhe von … EUR sowie „Säumniszuschläge” in Höhe von … EUR) zur Insolvenztabelle feststellte, widersprach der Klägervertreter im Berichts- und Prüfungstermin vom 14. September 2010 als Schuldnervertreter dem Forderungsgrund und der Forderungshöhe.
Daraufhin erhob der Klägervertreter am 13. Oktober 2010, eingegangen bei Gericht am selben Tage, Klage „wegen Feststellung zur Insolvenztabelle”. In der Begründung wird ausgeführt, es werde eine Feststellungsklage nach § 180 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) erhoben. Der Streitwert ergebe sich aus der erwarteten Quote und übersteige den Betrag von 5.000 EUR. Die Schulderin habe den Steuerforderungen widersprochen und müsse deshalb den Widerspruch mittels einer Feststellungsklage zum Landgericht weiter verfolgen. Die geänderten Steuerbescheide seien fehlerhaft, da im Rahmen einer Betriebsprüfung Einzahlungen auf Konten als ertrags- und umsatzsteuerlich wirksam angesehen worden seien, obwohl bei der bilanzierenden Schuldnerin lediglich ein erfolgsneutraler Aktivtausch sowie kein steuerbarer Leistungsaustausch vorliege. Ferner seien Betriebsausgaben in Höhe von lediglich 25 % anstatt laut Richtsatzkartei 61 % angesetzt worden. Die angesetzten Betriebsausgaben und Vorsteuern seien mit der Behauptung, es lägen Scheinrechnungen vor, nicht zugelassen worden. Im Erörterungstermin vom 2. Februar 2012 führte der Klägervertreter aus, die Klageschrift möge dahingehend umgedeutet werden, dass eine Klage gemäß § 184 Abs. 2 InsO erhoben werde. Die Klage solle keinesfalls an das Landgericht verwiesen werden.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der von der Klägerin gegenüber der Forderungsanmeldung des Beklagten vom 13. August 2010 über … EUR Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2010 sowie Zinsen hinsichtlich der Steuernummer … erhobene Widerspruch begründet ist,
festzustellen, dass der von der Klägerin gegenüber der Forderungsanmeldung des Beklagten vom 13. August 2010 über … EUR Säumniszuschläge hinsichtlich der Steuernummer … erhobene Widerspruch begründet ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Klage nach § 180 Abs. 1 InsO sei nicht zulässig; die Klägerin könne als Insolvenzschuldnerin keine derartige Feststellungsklage erheben. Eine Umdeutung in eine Feststellungsklage gemäß § 184 Abs. 2 InsO sei bei anwaltlicher Vertretung nicht zulässig. Aber auch eine derartige Klage sei unzulässig. Es sei zuvor kein ordnungsgemäßes Vorverfahren durchgeführt worden. Eine Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) existiere nicht.
Das Verfahren wegen der vom Beklagten am 11. August 2010 zur Insolvenztabelle angemeldeten Umsatzsteuerforderungen (Umsatzsteuer, Umsatzsteuer-Zinsen, Umsatzsteuer-Verspätungszuschlag, Umsatzsteuer-Säumniszuschläge; vgl. Bl. 73 der Vollstreckungsakten) ist mit Beschluss vom 13. Februar 2012 gemäß § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung abgetrennt und an den 12. Senat abgegeben worden, der nach dem Geschäftsverteilungsplan hierfür zuständig ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vor...