Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine wertmindernde Berücksichtigung durch Restrukturierungsmaßnahmen ersparter Personalaufwendungen bei der Bewertung einer Restrukturierungsrückstellung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden vom Unternehmen im Rahmen einer Restrukturierung Mitarbeiter entlassen und wird eine Rückstellung wegen der den Mitarbeitern zugesagten Entlassungsabfindungen gebildet, so stellt der durch die Entlassungen künftig ersparte Aufwand – Reduzierung des Personalaufwands – keinen künftigen Vorteil i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG dar, der die Rückstellung mindern bzw. ganz entfallen lassen könnte. Die Vorschrift erfasst nur wirtschaftliche Vorteile, die geeignet sind, sich im Gewinn des Unternehmens niederzuschlagen und damit die mit der Erfüllung der Verbindlichkeit verbundene Belastungswirkung zu mindern. Der Begriff des Vorteils ist zudem auf positive Zuflüsse begrenzt.

2. Da zudem Rückstellungen nur für Außenverpflichtungen gebildet werden können, sind auch nur solche Vorteile nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG gegenzurechnen, die aus einem Außenverhältnis zu Dritten, wie z. B. Kunden und anderen Vertragspartnern, resultieren können.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c, § 5 Abs. 1 S. 1; KStG § 8 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Der Körperschaftsteuerbescheid 2012 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2012, jeweils vom 2. Dezember 2015 und jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. April 2016, werden dahingehend geändert, dass eine Rückstellung für Restrukturierungsmaßnahmen in Höhe von 279.880 EUR gewinnmindernd berücksichtigt wird und die Körperschaftsteuer entsprechend herabgesetzt sowie der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer entsprechend festgestellt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch einfache Erklärung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob durch Restrukturierungsmaßnahmen ersparte Aufwendungen bei der Bewertung einer Restrukturierungsrückstellung wertmindernd zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin, eine GmbH, ist alleinige Gesellschafterin der Y GmbH und bildet mit dieser eine körperschaftsteuerliche Organschaft, bei der sie selbst als Organträgerin und die Y-GmbH als Organgesellschaft fungiert. Im Streitjahr 2012 führte die Y-GmbH Restrukturierungsmaßnahmen im Bereich des Fertigwarenlagers, der Wareneingangskontrollen sowie bei der Auftragskommissionierung durch. Aufgrund dessen wurden die Arbeitsverhältnisse mit 22 Mitarbeitern aufgrund von im Streitjahr ausgesprochenen Kündigungen bzw. geschlossenen Aufhebungsverträgen beendet.

In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2012 bildete die Y-GmbH aufgrund der ausgesprochenen Kündigungen eine Rückstellung für offene Abfindungszahlungen in Höhe von 524.577 EUR. Die Höhe der Abfindungsbeträge beruhte auf einem zwischen der Y-GmbH und deren Betriebsrat vereinbarten Sozialplan. Aufgrund der durchgeführten Restrukturierungsmaßnahmen ergibt sich –ab den jeweiligen Zeitpunkten des Austritts der Mitarbeiter aus der Y-GmbH– insgesamt eine jährliche Reduzierung des Personalaufwands (Lohn- und Gehaltsaufwendungen einschließlich des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung) aufgrund der Beendigung der 22 Arbeitsverhältnisse in Höhe von 590.644 EUR.

Im Rahmen der die Jahre 2009 bis 2012 betreffenden Außenprüfungen bei der Klägerin und der Y-GmbH vertrat der Prüfer die Auffassung, es komme zwar grundsätzlich die Bildung einer Rückstellung in Betracht. Die jährliche Reduzierung des Personalaufwands müsse jedoch als künftiger Vorteil nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) (i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG–) rückstellungsmindernd berücksichtigt werden. Im Ergebnis könne damit bei der Y-GmbH keine Rückstellung für offene Abfindungszahlungen passiviert werden. Das entsprechend erhöhte Einkommen der Y-GmbH sei der Klägerin als Organträgerin zuzurechnen.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ am 22. Juni 2015 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2012 sowie einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2012. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2015 Einspruch ein. Von den betroffenen 22 Mitarbeitern hätten –dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig-zwölf Mitarbeiter die im Sozialplan vereinbarten Abfindungsbeträge akzeptiert und gegen die ausgesproch...

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