Entscheidungsstichwort (Thema)

Nacherhebung von Zoll für Digital-Video-Discs (DVDs). Berücksichtigung von Lizensgebühren bei der Ermittlung des Zollwerts. Schlussmethode zur Ermittlung des Zollwerts. kein Recht auf Akteneinsicht bei Schwärzungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Recht auf Akteneinsicht bezieht sich nur auf die dem Gericht zur Entscheidung vorliegenden Erkenntnisgrundlagen. Es begründet nicht das Recht, dass von der Behörde nur in teilweise geschwärzter Form vorgelegte Unterlagen vollständig – also ohne die Schwärzungen – vorgelegt werden.

2. Ist die Preisgabe von in den Behördenakten enthaltenen Informationen unbefugt i. S. d. § 30 Abs. 2 AO, dann ist die Behörde zu deren Offenbarung nicht verpflichtet und verletzt das Gericht seine Sachaufklärungspflicht nicht, wenn es einem diesbezüglichen Aufklärungsantrag des Klägers nicht nachkommt. Die Folgen ein solchen Informationsdefizits für den Ausgang des Verfahrens ist keine Frage der Sachaufklärungspflicht des Gerichts, sondern eine solche des materiellen Rechts.

3. Besitzt die Spedition keine Vertretungsmacht zur Zollanmeldung, ist der Versender/Ausführer nicht Zollschuldner.

4. Grundsätzlich ist der Zollwert eingeführter Waren der Transaktionswert, d. h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis.

5. Ein Kaufgeschäft liegt auch dann vor, wenn der Käufer DVDs in fremdem wirtschaftlichen Interesse erwirbt und in seiner Verfügungsmacht an Vorgaben Dritter gebunden ist.

6. Bei Vertragsgestaltungen, die so eng miteinander verwoben sind, dass in dem einen Vertrag Vorgaben für den Abschluss und den Inhalt der weiteren abzuschließenden Verträge gemacht werden, die keinerlei Verhandlungsspielraum lassen und wiederum Bedingung für den Abschluss des ersten Vertrages sind, ist für die Zollwertermittlung der gesamte wirtschaftliche Einfuhrvorgang zu betrachten.

7. Der Zollwert von DVDs ist – mangels konkreter Informationen zu den Lizensgebühren – auf der Grundlage von in der Gemeinschaft verfügbaren Daten und zweckmäßigen Methoden nach der Schlussmethode zu ermitteln.

8. Ist der Wert der Lizensgebühr nicht bestimmbar und scheidet eine Ermittlung des Zollwertes auch nach Art. 30 ZK aus, kann der Wert bei flexibler Anwendung der Transaktionswertmethode geschätzt werden.

9. Mangelt es an einem Irrtum der Zollbehörde bei der ursprünglichen Abgabenfestsetzung, steht Art. 220 ZK einer Nacherhebung des Zolls nicht entgegen.

 

Normenkette

FGO §§ 78, 76; AO § 30 Abs. 2; ZK Art. 220-221, 201, 4 Nr. 18, Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1, Art. 29 Abs. 1, Art. 30-31

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.07.2013; Aktenzeichen VII R 56/11)

 

Tenor

1. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 17. Februar 2003, Registrierkennzeichen A-1…, wird – soweit er nach Erlass der Einfuhrabgabenbescheide vom 30. November 2005, Registrierkennzeichen A-2…, und vom 22. Februar 2011, Registrierkennzeichen A-3…, noch Bestand hat – hinsichtlich der für die Einfuhr vom 23. Februar 2000 66… (lfd. Nummer 6 der Anlage 3 zum Prüfungsbericht des Hauptzollamts B – Sachgebiet Prüfungsdienst – vom 3. Dezember 2002) festgesetzten Einfuhrabgaben aufgehoben. Zudem werden die darin für die Einfuhr vom 16. März 2000 88… (lfd. Nummer 9 der Anlage 3 zum Prüfungsbericht des Hauptzollamts B – Sachgebiet Prüfungsdienst – vom 3. Dezember 2002) festgesetzten Abgaben von 25.687,03 DM (13.133,57 EUR) auf 11.407,79 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens werden der Klägerin 3/5, dem Beklagten 2/5 auferlegt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides über die Erhebung von Zoll für Digital-Video-Discs (DVDs), wobei zum einen streitig ist, ob die Klägerin der bei der Abfertigung aufgetretenen Spedition eine entsprechende Vollmacht erteilt hat, zum anderen, ob in dem Abgabenbescheid bei der Ermittlung des Zollwertes zu Recht Lizenzgebühren berücksichtigt wurden, die von einem Dritten zu zahlen sind.

Die Klägerin ist eine von mehreren Firmen, die in die Herstellung und den Vertrieb von Spielfilm-DVDs eingebunden ist. Sie konfektioniert die im Drittland hergestellten DVDs und liefert sie weiter auf einem vorgegebenen Vertriebsweg.

Im Zuge dieser Tätigkeit wurden im Jahr 2000 im Namen der Klägerin durch zwei Speditionen verschiedene Spielfilm-DVDs in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft eingeführt und zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abgefertigt. Die Herstellung und de...

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