rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Beendigung der Berufsausbildung nicht bereits bei Bekanntgabe des Ergebnisses der Abschlussprüfung, sondern erst bei Ende des anschließenden, durch eine Rechtsverordnung vorgeschriebenen Berufspraktikums

 

Leitsatz (redaktionell)

Die kindergeldrechtliche Berufsausbildung endet nicht bereits mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (und des Bestehens der Prüfung), sondern erst mit dem zeitlich späteren Ablauf eines Berufspraktikums, wenn dieses durch eine Rechtsvorschrift geregelt ist (im Streitfall: landesrechtliche Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württemberg über die Ausbildung und Prüfung an den Fachschulen für Sozialpädagogik – Erzieherverordnung – v. 21.7.2015, Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2015 S. 705, wonach sich die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin in eine zweijährige schulische Ausbildung und ein anschließendes einjähriges Berufspraktikum gliedert; Anschluss an BFH, Urteil v. 14.9.2017, III R 19/16; gegen A 15.10 Abs. 4 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2017, BStBl 2017 I S. 1006).

 

Normenkette

EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; ErzieherVO § 47 Abs. 4, § 2 Abs. 1-2

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2015 wird aufgehoben und Kindergeld für den Monat August 2015 festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann die Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

 

Tatbestand

Der Kläger bezog Kindergeld für seine im Jahr 1992 geborene Tochter T (T), die sich in einer Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin befand. Nach der Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württemberg über die Ausbildung und Prüfung an den Fachschulen für Sozialpädagogik-Berufskollegs (Erzieherverordnung – ErzieherVO) vom 21. Juli 2015 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2015, 705) gliedert sich die Ausbildung in eine zweijährige schulische Ausbildung und ein anschließendes einjähriges Berufspraktikum. Der Ausbildungsvertrag für das Berufspraktikum von T hatte eine Laufzeit vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015. T bestand die staatliche Abschlussprüfung im Juli 2015; noch im Juli 2015 wurden ihr die Prüfungsnoten mitgeteilt. Ab September 2015 war sie berechtigt, die Berufsbezeichnung „Staatlich anerkannte Erzieherin” zu führen (vgl. Abschlusszeugnis der Fachschule für Sozialpädagogik vom 10. Juli 2015, Bl. 259 der Kindergeldakte). Zum 1. September 2015 wurde T von der sozialpädagogischen Einrichtung, in der sie ihr Ausbildungspraktikum geleistet hatte, in ein Arbeitsverhältnis übernommen.

Die beklagte Familienkasse (Beklagte) hob die Festsetzung des Kindergeldes mit Bescheid vom 2. November 2015 ab August 2015 auf und forderte das für diesen Monat gezahlte Kindergeld zurück. Dagegen wandte sich der Kläger ohne Erfolg mit Einspruch.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2015 hat der Kläger beim Finanzgericht Klage erhoben. Er trägt vor, die Ausbildung seines Kindes habe erst Ende August 2015 geendet. Die Fachausbildung zur Erzieherin sei nicht bereits mit der Notenbekanntgabe im Juli 2015, sondern nach dem Ausbildungsvertrag erst im August 2015 abgeschlossen gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 2. November 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2015 aufzuheben und Kindergeld für den Monat August 2015 festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe zwar mit Urteil vom 14. September 2017 (III R 19/16, BFHE 259, 443, BStBl II 2018, 131) entschieden, dass eine Berufsausbildung nicht bereits mit der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abschlussprüfung, sondern erst mit Ablauf der Ausbildungszeit ende, wenn diese durch Rechtsvorschrift festgelegt ist. Diese Entscheidung sei aber zur Ausbildung zum Heilerziehungspfleger ergangen. Im vorliegenden Fall gehe es um die Ausbildung zum Erzieher.

Am 21. Februar 2018 fand ein Erörterungstermin statt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die beigezogene Kindergeldakte verwiesen. Mit Beschluss vom 21. Februar 2018 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten hierauf übereinstimmend verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid ist...

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