Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der 10 % Schädlichkeitsgrenze für den Bezug von nicht im Inland versteuerten Einkünften zur Durchführung einer Veranlagung i. S. des § 50 Abs. 4 EStG 1994 bzw. § 1 Abs. 3 EStG 1996. Rückwirkende Veranlagung eines beschränkt Steuerpflichtigen für Veranlagungszeiträume vor 1996. Einkommensteuer 1991–1994

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein von einem ausschließlich in Deutschland ansässigen Arbeitgeber angestellter, in Frankreich wohnender und als Händler tätiger beschränkt Steuerpflichtiger, dessen sämtlichen Einkünfte zwar von seinem inländischen Arbeitgeber stammen, die aber zu ca. 1/3 im Inland nicht steuerpflichtig sind –und den Betrag von 12.000 bzw. 24.000 DM überschreiten–, kann nicht nach § 50 Abs. 4 EStG i.d.F. des Grenzpendlergesetzes v. 24.6.1994 bzw. nach § 1 Abs. 3 EStG i.d.F. des JStG 1996 auf Antrag zur Einkommensteuer veranlagt werden, weil die Summe der insgesamt bezogenen Einkünfte nicht zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuerpflicht unterliegt.

2. Die Durchführung der Veranlagung eines beschränkt steuerpflichtigen Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG i.d.F. des JStG 1996, die gemäß § 52 Abs. 31 Satz 1 EStG auch schon für Veranlagungszeiträume vor 1996 möglich ist, setzt einen bis zum Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG nach In-Kraft-Treten der Neuregelung des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG 1996 gestellten Antrag auf Durchführung der beschränkten Veranlagung voraus.

3. Die Vorschriften des § 50 Abs. 4 EStG i.d.F. des Grenzpendlergesetzes bzw. des § 1 Abs. 3 EStG i.d.F. des JStG 1996 verstoßen weder gegen Art. 48 Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt: Art. 39 EG) noch gegen Art. 3 bzw. 6 GG.

 

Normenkette

EStG 1996 § 50 Abs. 5 S. 4 Nr. 2, § 52 Abs. 31; EStG 1994 § 50 Abs. 5 S. 3 Nr. 3a, Abs. 4; EStG 1996 § 1 Abs. 3; EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2; EStG 1994 § 50 Abs. 5 S. 1; EStG § 1 Abs. 4; EGVtr Art. 39, 48 Abs. 1; EStG § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; Grenzpendlergesetz; DBA FRA Art. 13; GG Art. 3, 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.08.2003; Aktenzeichen I R 72/02)

BFH (Urteil vom 20.08.2003; Aktenzeichen I R 72/02)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Der Kläger wohnte in den Streitjahren 1991, 1992, 1993 und 1994 mit seiner im Jahre 1970 geborenen Tochter und seiner Ehefrau in S.. Er ist französischer Staatsangehöriger und bezog in dieser Zeit Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit als Verkäufer bei der Firma … in O.. O. und S. liegen im deutsch-französischen Grenzgebiet. Die Tätigkeit des Klägers war mit zahlreichen Dienstreisen in das Ausland (überwiegend in Drittstaaten, zum geringen Teil auch nach Frankreich) verbunden.

Von den Reisetagen im Ausland entfielen nach Maßgabe der … Klagebegründungsschrift …:

1991

1992

1993

1994

auf die Wochentage Montag bis Freitag

69

61

62

61

auf die Wochentage Samstag und Sonntag

25

25

21

23

Unter Berücksichtigung von 220 regelmäßigen Arbeitstagen zuzügl. der Sonntage und Samstage, während denen der Kläger auf Reisen war, ergeben sich hieraus folgende Prozentsätze für die auf das Inland entfallenden Arbeitstage:

1991

1992

1993

1994

61,63 %

64,89 %

65,56 %

65,43 %

In seinen für die Streitjahre eingereichten Einkommensteuererklärungen erklärte der Kläger folgende Einnahmen aus der Tätigkeit bei der Firma…:

1991

1992

1993

1994

151.668 DM

130.914 DM

132.264 DM

164.660 DM

Der Kläger ließ sich mit diesen Einnahmen zunächst als Grenzgänger im Sinne des Art. 13 Abs. 5 a Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Frankreich bei seinem Wohnsitzfinanzamt in S. veranlagen.

Nach einer Lohnsteuerprüfung … bei der Firma … gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der Kläger nicht als Grenzgänger im Sinne des DBA zu behandeln sei, weil er nicht in der Regel jeden Tag nach S. zurückgefahren sei. Der Beklagte erließ hierauf am 29. April 1997 gegen die Firma … einen Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheid für die Jahre 1991 bis 1994 über … DM.

Am 30. Dezember 1996 beantragte der Kläger über seinen damaligen steuerlichen Berater „gemäß § 50 Einkommensteuergesetz Einkommensteuerveranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger EU-Arbeitnehmer für die Jahre, für die eine Grenzgängerregelung nicht möglich” sei. Die entsprechenden Einkommensteuererklärungen lagen dem Antrag nicht bei, sondern wurden erst am 26. Mai 1998 nachgereicht. In ihnen wurde die Zusammenveranlagung mit der in S. wohnhaften Ehefrau beantragt. Ferner machte der Kläger Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend in Höhe von

Der Kläger begehrte ferner die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG an seine in S. wohnhafte geschiedene Ehefrau in Höhe von …

Für die Zeit vom 01. Januar 1991 bis zum 31. März 1993 wurden außerdem für die in Ausbildung sich befindende Tochter Kinderfreibeträge und Ausbildungsfreibeträge verlangt.

Der Beklagte lehnte in der Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 1998 eine Veranlagun...

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