Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen eines stark gehbehinderten Steuerpflichtigen für den Einbau eines Treppenschrägliftes im Garten sind außergewöhnliche Belastungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist ein Steuerpflichtige schwer gehbehindert, sind Aufwendungen für die Installation eines Treppenschräglifts auch dann als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn dieser sich nicht innerhalb des Wohnhauses, sondern im dazugehörigen Garten befindet.

2. Die Notwendigkeit der Nutzung eines Treppenschräglifts ist nicht auf die unmittelbare Nutzung innerhalb des Wohnbereichs beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Nutzung des Gartens.

3. Ein eventuell durch den Einbau des Treppenlifts erlangter Gegenwert ist aufgrund der Zwangsläufigkeit der Krankheit nicht zu berücksichtigen.

4. Die Aufwendungen sind sofort in voller Höhe zu berücksichtigen und nicht auf die Dauer der voraussichtlichen Nutzung nach den Regelungen über die AfA gemäß § 7 EStG abzuschreiben.

5. Zusätzliche Krankheitskosten sind nicht von der Abgeltungswirkung des Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b EStG erfasst.

 

Normenkette

EStG §§ 33, 33b, 7; GG Art. 3 Abs. 3 S. 2

 

Tenor

1) Der geänderte Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 16. Mai 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2008 wird dahingehend abgeändert, dass – vorbehaltlich des Abzugs der zumutbaren Belastung der Klägerin – weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 26.276,65 EUR anerkannt werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

2) Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zu Hälfte.

3) Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.

4) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen der Klägerin (Klin) für die Installation eines Treppenschräglifts im Garten ihres Wohngrundstücks als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

Die … Klin bewohnte im Streitjahr … ein auf einem Hanggrundstück belegenes Wohnhaus, das einer Erbengemeinschaft, an der die Klin beteiligt war, gehörte. Die Klin lebte dort bereits seit ihrer Kindheit. Aufgrund einer außergewöhnlichen Gehbehinderung war sie im Streitjahr zu 90 % schwerbehindert. Ihr Schwerbehindertenausweis enthielt die Merkzeichen G und aG.

Am 30. März 2007 reichte die Klin ihre Einkommensteuer(ESt-)Erklärung für das Jahr 2005 beim Beklagten (Bekl) ein. Darin begehrte sie u.a. den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 62.779,62 EUR. Dieser Betrag setzte sich aus folgenden Positionen zusammen:

– Gärtnerei: Sträucher freischneiden für Treppenbau:

2.252,89 EUR

– Firma Y, Montage Behindertenaufzug

26.216,00 EUR

– Bauunternehmen X, „Bau betr. Befestigung Treppenlift”

31.853,60 EUR

– weitere im Einzelnen dargestellte Aufwendungen i.H.v. insgesamt

2.457,13 EUR

Mit ESt-Bescheid vom 10. April 2007 setzte der Bekl die ESt der Klin für das Streitjahr fest. Dabei erkannte er lediglich außergewöhnliche Belastungen i.H.v. 1.610 EUR an, die sich jedoch wegen der Anrechnung der sog. zumutbaren Belastung i.H.v. 4.980 EUR steuerlich nicht auswirkten. Zur Begründung führte der Bekl aus, die Ausstattung eines Hauses mit einem Fahrstuhl und eine behindertengerechte Bauausführung führten nicht zu außergewöhnlichen Belastungen. Kosten für den Behindertenaufzug und die Baukosten der Firma X könnten daher nicht berücksichtigt werden.

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24. April 2007 legte die Klin Einspruch gegen den ESt-Bescheid vom 10. April 2007 ein. Zur Begründung ließ sie im Wesentlichen ausführen, den Erläuterungen des Bekl hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für den Treppenschräglift „in Höhe von 57.805 EUR” als außergewöhnliche Belastungen stimme die Klägerseite nicht zu. Grundsätzlich führe der Einbau eines Fahrstuhls an ein Wohngebäude sowie die Vornahme anderer Umbauten nach ständiger Rechtsprechung nicht zu außergewöhnlichen Belastungen. Anders verhalte es sich jedoch bei einem Treppenschräglift als medizinisches Hilfsmittel im Sinne der H 33.1 bis 33.4 des Amtlichen ESt-Handbuchs für die Finanzverwaltung (EStH). Das Finanzgericht Berlin habe mit Urteil vom 1. November 1994 (Az. VII 369/91) die Aufwendungen für einen Treppenschräglift als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, da der Treppenschräglift kein einheitliches Wirtschaftsgut mit dem Gebäude bilde, sondern sich als gesondert zu bewertendes medizi...

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