Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerlegung des Zugangs einer kurz vor Jahresende in ein Postfach eingelegten Einspruchsentscheidung innerhalb der Drei-Tage-Bekanntgabefiktion. Einkünfteerzielungsabsicht bei einer leerstehenden und gleichzeitig zum Verkauf sowie zur Vermietung angebotenen Wohnung. Einkommensteuer 1995

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Nachweis, dass eine am Dienstag, 29.12. per einfachen Brief zur Post gegebene, an die Hausanschrift des Bevollmächtigten adressierte, aber in sein Postfach eingelegte Einspruchsentscheidung dem Adressaten nicht innerhalb der Drei-Tages-Fiktion nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bis zum 1.1. zugegangen ist, wird weder durch unsubstantiiertes Bestreiten der Absendung durch das FA noch durch einen Eingangsvermerk und eine eidesstattliche Versicherung einer Angestellten des Bevollmächtigten, sie habe die Sendung erst am 4.1. dem Postfach entnommen, erbracht.

2. In ein Postfach eingelegte Briefsendungen sind in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem das Postfach üblicherweise geleert zu werden pflegt; ob das Postfach tatsächlich geleert oder der entnommene Brief überhaupt zur Kenntnis genommen, ist insoweit unerheblich.

3. Bietet der Eigentümer eine bislang vermietete und nunmehr leerstehende Wohnung sowohl zur Vermietung als auch über ein Immobilienbüro zum Verkauf an, hat er sich noch nicht endgültig zur weiteren Einkünfteerzielung durch Vermietung und Verpachtung entschieden und kann die während des Leerstands anfallenden Kosten mangels Einkünftererzielungsabsicht nicht als Werbungskosten abziehen.

 

Normenkette

AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 47 Abs. 1; AO 1977 § 366 S. 2; EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.10.2003; Aktenzeichen IX R 11/03)

BFH (Urteil vom 14.10.2003; Aktenzeichen IX R 11/03)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger (Kl.) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Durch Kaufverträge vom 21.12.1987 bzw. 23.06.1988 haben sie die Eigentumswohnungen Nr. 15 und 16 im Gebäude U. in M. erworben. Die Wohnungen waren jeweils bis zum 30.04.1995 vermietet und wurden mit Verträgen vom 27.09.1996 bzw. 24.10.1996 veräußert. In der Zwischenzeit standen sie leer und es bestand während dieses Zeitraums die zwingende Absicht der Kl., die Wohnungen entweder zu vermieten oder zu verkaufen (Schriftsatz vom 03.02.1997).

Im Streitjahr 1995 machten die Kläger bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich der Wohnungen Nr. 15 und 16 im Gebäude U.26a unter Ansatz von Einnahmen für 4 Monate (DM 3.308,–) u. a. Schuldzinsen (DM 21.164,–) und Absetzung für Abnutzung (– AfA – DM 3.767,–) für das ganze Kalenderjahr geltend, wodurch sich negative Einkünfte in Höhe von insgesamt DM 26.806,– ergaben. Im Einkommensteuerbescheid vom 18.02.1997 wurden die negativen Einkünfte entsprechend einem zuvor erfolgten Anhörungsschreiben mit lediglich DM 10.186,– angesetzt, da laut Erläuterungstext eine Vermietungsabsicht für die Wohnungen nicht nachgewiesen worden sei. Die Abweichung resultierte aus dem Ansatz von jeweils 4/12 der geltend gemachten Schuldzinsen und AfA. Dagegen legten die Kl. mit Schreiben vom 26.02.1997 Einspruch ein. Zur Begründung trugen die Kl. im Wesentlichen vor, dass eine Vermietung aufgrund der negativen Vermietungssituation nicht möglich gewesen sei. Es sei ihnen nicht darum gegangen, die Wohnungen bewusst leerstehen zu lassen, um sie besser veräußern zu können; auch eine Vermietung wäre akzeptiert worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.12.1998 wies der Beklagte (Bekl.) den Einspruch als unbegründet zurück. Nach der in der Einkommensteuerakte befindlichen Verfügung vom 29.12.1998 wurde sie auch am 29.12.1998 mit einfachem Brief zur Post gegeben. Zur Begründung trug der Bekl. vor, dass bei alternativem Anbieten zur Vermietung und zum Verkauf, die erforderliche Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, nicht positiv festgestellt werden könne. Sei in einem solchen Fall eine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen, so stünden die zwischenzeitlich angefallenen Werbungskosten nicht in direktem Zusammenhang mit der Einkunftserzielungsabsicht. Bei den Kl. habe bereits vor dem Auszug der Mieter Verkaufsabsicht bestanden, was durch das Schreiben des Immobilienvermittlers vom 27.03.1995 dokumentiert sei (Betreffzeile: „Verkauf Objekt U. …”). Bemühungen, die Eigentumswohnungen zu vermieten, seien zwar vorgetragen jedoch nicht nachgewiesen worden. Nach dem eigenen Klägervortrag sollten die Wohnungen entweder vermietet oder verkauft werden. Auch wenn dies zugetroffen hätte, so würde dies nicht zum Werbungskostenabzug berechtigen, weil der endgültige Entschluss zur Einkunftserzielung nicht gefasst gewesen sei. Der Abzug von Werbungskosten für die Leerstandszeit würde nur dann in Betracht kommen, wenn nachweislich ausschließlich Maßnahmen ergriffen worden wären, die auf eine Vermietung der Wohnungen abgezielt hätten.

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