Entscheidungsstichwort (Thema)

Von einem privaten Schweizer Arbeitgeber auf Grundlage des Anstellungsreglements gezahlte Familienzulage ist keine mit dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistungen im Sinne von § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG werden im Rahmen des Familienleistungsausgleichs gemäß § 31 EStG berücksichtigt und unterliegen daher nicht der Einkommensteuer. Solche liegen vor, wenn sie nach ausländischen Rechtsvorschriften zu zahlen sind und ihrem Sinn und Zweck nach ebenfalls dem Familienleistungsausgleich dienen.

2. Bei der im Streitfall zu beurteilenden, auf einer Regelung im Arbeitsvertrag des Klägers beruhenden Familienzulage handelt es sich aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage nicht um eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung im Sinne von § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

3. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Familienzulagen, die auf einer Rechtsvorschrift beruhen und solchen, die auf Grundlage einer tarifvertraglichen Vereinbarung gewährt werden, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

DBA CHE 1978 Art. 15a; EStG §§ 31, 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine von einem privaten Schweizer Arbeitgeber auf Grundlage des Anstellungsreglements gezahlte Familienzulage als eine mit dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung steuerfrei ist.

Die Kläger sind Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2019 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie haben zwei, in den Jahren 2002 und 2005 geborene Kinder. Die Familie hat ihren Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung –AO–) und ihre ständige Wohnstätte (Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971, BGBl II 1972, 1022, i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl II 1993, 1888; im Folgenden: DBA-Schweiz) im Inland.

Der Kläger ist von Beruf […], die Klägerin […]. Beide waren im Streitjahr bei der A AG, Kanton Thurgau/Schweiz, nichtselbstständig beschäftigt. Die in der Schweiz erzielten Einkünfte der Kläger aus nichtselbständiger Arbeit wurden nach der sog. Grenzgängerregelung gemäß Art. 15a DBA-Schweiz im Inland besteuert.

Der Kläger hat mit der A AG am 15. August 2014 einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen (…). In Ziff. 6 des Arbeitsvertrags wird die Höhe des jährlichen Grundgehalts vereinbart. Allfällige Sozialzulagen sollten beim Eintritt definitiv abgeklärt werden. Unter Ziff. 9 des Arbeitsvertrags ist bestimmt, dass der Kläger vom Geltungsbereich des Firmenvertrags für die Mitarbeitenden der A AG explizit ausgenommen ist. Soweit der Arbeitsvertrag keine Regelungen enthält, wurde die Anwendung der „Arbeitsrechtlichen Bestimmungen” des Firmenvertrags für die Mitarbeitenden der A AG und der zugehörigen Anhänge in der jeweils geltenden Fassung (…) im Sinne eines Anstellungsreglements vereinbart.

Ausweislich der monatlichen Lohnabrechnungen (…) bezog der Kläger neben der Grundbesoldung eine Kinderzulage (200 CHF/Monat), eine Ausbildungszulage (250 CHF/Monat) und eine Familienzulage (285 CHF/Monat). Zu diesen Zulagen heißt es unter Ziff. 2.16.2 „Sozialzulagen” des Firmenvertrags, dass Kinder- und Ausbildungszulagen sich nach der Gesetzgebung von Bund und Kanton richten und Mitarbeitende mit Anspruch auf eine Kinder- oder Ausbildungszulage eine Familienzulage erhalten. Nach einer Bestätigung der A AG vom 6. Oktober 2020 wird die Familienzulage vom Arbeitgeber auf freiwilliger Basis ausgezahlt (…).

Nach Art. 3 und 5 des Bundesgesetzes über die Familienzulagen vom 24. März 2006 in der im Streitjahr geltenden Fassung (FamZG; Systematische Sammlung des Bundesrechts –SR– 836.2, www.admin.ch; Gerichtsakte Bl. 154 ff.) wird die Kinderzulage (200 CHF/Monat) bis zur Vollendung des 16. Altersjahres des Kindes ausgerichtet. Die Ausbildungszulage (250 CHF/Monat) wird für Kinder ab Vollendung des 16. Altersjahres bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens bis zur Vollendung des 25. Altersjahres ausgerichtet. Die Kantone können in ihren Familienzulageordnungen höhere Mindestansätze für Kinder- und Ausbildungszulagen vorsehen. Hiervon hat der Kanton Thurgau in dem kantonalen Gesetz über die Familienzulagen vom 10. September 2008 in der im Streitjahr geltenden Fassung (TG FamZG; Rechtsbuch Thurgau –RB– 836.1, www.rechtsbuch.tg.ch; Gerichtsakte Bl. 168 ff.) keinen Gebrauch gemacht (vgl. auch die Übersicht des Bundesamts für Sozialversicherungen „Arten und Ansätze der Familienzulagen nach dem FamZG, dem FLG und den kantonalen Gesetzen 2019”, www.bsv.admin.ch). Kinder- und Ausbildungszulagen werden nach Bewilligung durch die Familienausgleichk...

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