Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Fahrtkosten eines stark Geh- und Stehbehinderten bei geringer Fahrleistung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Unterschreitung der als angemessen anzusehenden jährlichen Fahrleistung eines in seiner Geh- und Stehfähigkeit erheblich beschränkten Körperbehinderten von 15.000 km um mehr als 50 v.H. ist ein außergewöhnlicher Umstand, der eine Überschreitung der km-Pauschsätze für die Ermittlung der als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Kosten rechtfertigt.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.12.2001; Aktenzeichen III R 40/99)

 

Tatbestand

Streitig ist im Veranlagungszeitraum 1994, in welcher Höhe Pkw-Kosten des außergewöhnlich geh- und stehbehinderten Klägers angemessen und somit im Rahmen des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig sind.

Der 1915 geborene, verheiratete Kläger ist Ruhestandsbeamter, der mit seiner Ehefrau zusammenveranlagt wird. In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres machte der in seiner Geh- und Stehfähigkeit behinderte Kläger u. a. tatsächlich entstandene Kfz.-Kosten für 1994 in Höhe von 11.408 DM für eine Gesamtjahresfahrleistung von 6.960 km als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG geltend. Diesen – unstreitigen – Betrag errechnete der Kläger wie folgt:

a)

Laufende Kosten

DM

Benzin, Öl, etc.

1.661,36

Werkstattkosten (Wartung, Reparaturen etc.)

1.421,60

sonstige Aufwendungen (Versicherungen, ADAC-Beitrag, DAS-Rechtsschutz, Garagenmiete, Parkhausgebühren)

1.417,50

Summe laufende Kosten

4.500,46

./. Kfz.-Beihilfe des Landeswohlfahrtsverbandes (ab 1.8.1994) bzw. des Versorgungsamtes

735,–

verbleibender Eigenanteil lfd. Kosten

3.765,46

b)

AfA Pkw

Anschaffungskosten

Pkw Passat GL 2,0 Automatic

= 47.385,82

./. Zuschuß Versorgungsamt Freiburg

=9.173,67

Eigenanteil Anschaffungskosten

38.212,15

davon 20 % jährliche AfA =

7.642,43

außergewöhnliche Belastung

11.407,89

Demgegenüber berücksichtigte das FA in dem Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 30.03.1995 die Aufwendungen des Klägers für Privatfahrten lediglich in Höhe von 0,52 DM pro gefahrenem Kilometer wie folgt:

DM

6.960 km × 052 DM

3.620,–

./.

zumutbare Belastung im Sinne des § 33 Abs. 3 EStG (5 % des Gesamtbetrags der Einkünfte)

2.988,–

steuerlich berücksichtigungsfähige außergewöhnliche Belastung

632,–

Der vorgenannte Einkommensteuerbescheid für 1994 wurde – aus hier nicht interessierenden Gründen – durch Teiländerungsbescheid vom 4. Januar 1996 ersetzt.

Hiergegen wendet sich der Kläger nach vorangegangenem erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren mit seiner Klage und beanstandet, daß die Pkw-Kosten für Privatfahrten lediglich mit 0,52 DM pro gefahrenem Kilometer statt mit den von ihm ermittelten höheren tatsächlichen Kilometerkosten von 2 DM (bzw. 1,64 DM nach Abzug der Zuschüsse) berücksichtigt worden seien. Außergewöhnlich Geh- und Stehbehinderte benötigten im allgemeinen ein größeres Auto mit ausreichendem Bewegungsraum. Außerdem brauche er persönlich infolge der Art seiner Behinderung ein Automatikfahrzeug. Solche Kraftfahrzeuge seien teuer und unterlägen – auch wegen der häufigeren Kurzfahrten mit jeweiligen Kaltstarts – einem höheren Wertverlust. Der erhöhte Kraftstoffverbrauch sei insbesondere durch die häufigen, kurzen Stadtfahrten sowie durch die Automatik bedingt.

Der vom Bundesministerium für Finanzen als angemessen bezeichnete Kilometersatz gehe zum einen von Überlandstrecken anläßlich von Dienstreisen – d. d. von Autofahrten eines „normalen Autofahrers” – aus. Zum anderen entspräche der Kilometersatz, lege man die ADAC-Tabellen zugrunde, in der heutigen Zeit nur noch einem Kleinwagen. Er halte danach angesichts seiner besonderen Bedürfnisse als außergewöhnlich Geh- und Stehbehinderter die durch den Fahrzeugbetrieb verursachten und geltend gemachten Kosten nicht für unangemessen.

Im übrigen unterscheide sich der hier zu beurteilende Sachverhalt in erheblichem Maße von allen Sachverhalten, wie sie den in der Einspruchsentscheidung zitierten Gerichtsurteilen zugrunde gelegen hätten. In den dortigen Streitfällen hätten die Kläger Fahrleistungen von mehr als 15,000 km pro Jahr geltend gemacht. Für diese Fälle habe der Bundesfinanzhof -BFH- festgestellt, daß sich die Angemessenheitsprüfung u. a. auf die Höhe der Fahrleistung unter Berücksichtigung von Art und Charakter der durchgeführten Fahrten als auch auf die vom Steuerpflichtigen benutzte Wagenklasse zu erstrecken habe.

So habe der BFH in seinem Urteil v. 2. Oktober 1992 (III R 63/91, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1993, 286) eine jährliche Kilometerleistung von 15.000 km dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung zugelassen. Weitere Einschränkungen habe der BFH nicht vorgenommen. Insbesondere habe er in der oben genannten Entscheidung die Angemessenheit des berücksichtigungsfähigen Kilometersatzes der Höhe nach nicht ausdrücklich auf den für Dienstreisen geltenden Pauschalbetrag begrenzt.

Da er mit seiner jährlich...

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