Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlängerung des Kindergeldes wegen Wehrdienstes. Verfassungsmäßigkeit der Herabsetzung der Altersgrenze für den Kindergeldbezug

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Verlängerungszeitraum für die Gewährung von Kindergeld bei Ableistung des gesetzlichen Grundwehr- bzw. Zivildienstes über die Vollendung des 25. (früher: 27.) Lebensjahres hinaus entspricht auch dann der Dienstzeit, wenn der Dienst nicht am Monatsersten angetreten wurde und daher im ersten Monat des Wehrdienstes noch Kindergeld bezogen wurde.

2. Die zum 1.1.2007 eingeführte Herabsetzung der grundsätzlichen Altersgrenze für den Kindergeldbezug auf 25 Jahre ist generell wie auch hinsichtlich der betreffenden Übergangsvorschrift in verfassungskonformer Weise normiert. Der Gesetzgeber hat bei der Herabsetzung der Altersgrenze von 27 Jahren auf 25 Jahre im Rahmen seiner verfassungsrechtlich garantierten Gestaltungs- und Typisierungsbefugnis gehandelt (Anschluss an die einheitliche Rechtsprechung der FG zur Verfassungsmäßigkeit).

 

Normenkette

EStG 2009 § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 52 Abs. 40, § 63 Abs. 1 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.04.2014; Aktenzeichen V R 62/10)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Februar 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 9. März 2009 wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin für den Monat Dezember 2009 Kindergeld zu gewähren.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Ablehnung der Kindergeldgewährung für ihren am … 1984 geborenen Sohn B für die Zeit ab Dezember 2009. Sie vertritt die Auffassung, die Herabsetzung der Altersgrenze für den Kindergeldbezug für in Ausbildung befindliche Kinder auf 25 Jahre gemäß §§ 63 Abs. 1 Satz 2, 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit der Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 40 Satz 7 EStG n.F. sei verfassungswidrig und zudem gemeinschaftsrechtswidrig.

Im Anschluss an das nach 13 Schuljahren abgelegte Abitur leistete der Sohn der Klägerin vom 4. August 2003 bis zum 31. Mai 2004 Zivildienst (10 Monate). Von September 2003 bis Mai 2004 (9 Monate) erhielt die Klägerin in dieser Zeit kein Kindergeld.

Im Wintersemester 2004/05 nahm Sohn B das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Y auf. Er studierte dort zunächst 4 Semester. Von Oktober 2006 bis September 2007 absolvierte er mit Förderung durch ein Stipendium aus dem …-Programm der Europäischen Gemeinschaft (EG) ein Auslandsstudienjahr in Z (Schweiz). Im Oktober 2007 setzte er sein Jurastudium an der Universität Q im 5. Fachsemester fort. Er befindet sich nun gemäß einer Studienbescheinigung vom 28. Februar 2010 im 10. Fachsemester (März bis September 2010).

Nach § 3 Abs. 6 der Verordnung des Justizministeriums Baden-Württemberg über die Ausbildung und Prüfung der Juristen (Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung – JAPrO) vom 8. Oktober 2002 beträgt die Regelstudienzeit einschließlich der Ersten juristischen Prüfung 9 Semester.

Mit Schreiben vom 16. Januar 2009 informierte der Beklagte die Klägerin, dass die Zahlung des Kindergelds an sich zum 1. März 2009 aufzuheben wäre, die Ableistung des gesetzlichen Zivildienstes aber zu einer Verlängerung der Kindergeldgewährung um den tatsächlichen Nichtgewährungszeitraum von 9 Monaten führe.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2009 setzte der Beklagte Kindergeld für die Zeit bis zum 30. November 2009 unter Vorbehalt des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen wie Ausbildung und Einhaltung des Grenzbetrags fest. Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2009 lehnte der Beklagte die Zahlung von Kindergeld unter Hinweis auf §§ 63 Abs. 1, 32 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 EStG und unter irriger Bezugnahme auf die frühere Altersgrenze von 27 Jahren ab.

Die Klägerin ließ durch ihren als Rechtsanwalt zugelassenen Ehemann Einspruch einlegen, den der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 9. März 2009 unter korrigierender Bezugnahme auf die Altersgrenze von 25 Jahren zurückwies. Insbesondere erläuterte der Beklagte, dass die sog. Verzögerungstatbestände in § 32 Abs. 5 EStG abschließend geregelt seien und daher der mit dem Einspruch geltend gemachten erweiternden Auslegung hinsichtlich eines Auslandsstudiums nicht zugänglich seien.

Hiergegen richtet sich die am 14. April 2009 (= Dienstag nach dem Osterwochenende) bei Gericht eingegangene Klage, mit welcher die Klägerin sich gegen die durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt – BGBl – 2006, 1652) normierte Herabsetzung der grundsätzlichen Altersgrenze für den Kindergeldbezug von 27 Jahren auf nur noch 25 Jahre wendet.

In gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht macht die Klägerin geltend, die nationalen Vorschriften des Kindergeldrechts verstießen mit Blick auf das …-Programm gegen das höherrangige EG-Recht sowie insbesondere auch gegen den Grundsatz EG-freundlichen Verhaltens (Hinwe...

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