Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Sonderausgabenabzug für Renten- und Krankenversicherungsbeiträge bei Arbeitsverhältnis mit einer bundesgesetzlich von der deutschen Einkommensteuer- und Sozialversicherungspflicht befreiten internationalen Organisation

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das für Vorsorgeaufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, geltende Abzugsverbot des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG für Renten- und Krankenversicherungsbeiträge ist anwendbar, wenn der Arbeitslohn, den ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer einer internationalen Organisation bezieht, aufgrund einer Vereinbarung Deutschlands mit dieser Organisation bundesgesetzlich von der deutschen Einkommensteuer und der deutschen Sozialversicherungspflicht befreit ist, dafür aber einer internen Steuer dieser Organisation unterliegt, und wenn die internationale Organisation von ihren Arbeitnehmern Beiträge zu einem eigenen Sozialversicherungssystem erhebt.

2. Dieser Ausschluss des Sonderausgabenabzug (siehe 1.) verstößt weder gegen Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG, subjektives Nettoprinzip) noch gegen Unionsrecht (Arbeitnehmer-Freizügigkeit); insoweit ist unerheblich, dass die dem Steuerpflichtigen später von der internationalen Organisation ausgezahlte Altersrente in Deutschland vollumfänglich besteuert wird (Niedersächsisches FG, Urteil v. 28.9.2016, 3 K 169/15, EFG 2017 S. 124, rechtskräftig; FG Düsseldorf, Urteil v. 10.7.2018, 10 K 1964/17, EFG 2018 S. 1515, rechtskräftig).

3. Die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossenen Vorsorgeaufwendungen (siehe 1.) können auch nicht im Rahmen des auf den steuerfreien Arbeitslohn angewandten Progressionsvorbehalts (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG) steuersatzmindernd berücksichtigt werden.

 

Normenkette

AEUV Art. 45; EStG 2016 § 10 Abs. 1 Nrn. 2-3, 3a, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 4; GG Art. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.07.2023; Aktenzeichen X R 17/22)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen im Zusammenhang mit einer steuerfreien Beschäftigung bei einer internationalen Organisation.

1. Der verheiratete Kläger war im Streitjahr 2016 nichtselbständig bei der internationalen Organisation [] (A) beschäftigt. Seine Lohneinkünfte waren steuerfrei und unterlagen dem Progressionsvorbehalt. Er wurde mit seiner Ehefrau (Klägerin) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die A ist eine im Jahr … gegründete zwischenstaatliche Einrichtung. Die Rechtsbeziehungen zwischen der A und Deutschland sind bundesgesetzlich geregelt. Danach erhebt die A für die Gehälter und sonstigen Bezüge seines Personals eine eigene Steuer bei gleichzeitiger Befreiung von der deutschen Einkommensteuer. Die A hat ein eigenes Sozialversicherungssystem für die Renten- und Krankenversicherung eingerichtet und unterliegt daher nicht der deutschen Sozialversicherung.

2. In der Einkommensteuererklärung 2016 machte der Kläger die von der A einbehaltenen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Krankenversicherung von insgesamt als Vorsorgeaufwand geltend:

Arbeitnehmeranteil

Arbeitgeberanteil

A Rentenversicherung

5.176,20 EUR

10.352,40 EUR

A Krankenversicherung

2.091,48 EUR

4.182,90 EUR

3. Im Einkommensteuerbescheid 2016 vom 21.11.2017 erkannte das beklagte Finanzamt (FA) einen Abzug dieser Aufwendungen weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben an.

4. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA mit Bescheid vom 24.08.2018 als unbegründet zurück. Die Beiträge zur Sozialversicherung der A seien Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in seiner im Streitjahr geltenden Fassung (EStG a.F.), die aus im Inland steuerfreiem Lohn geleistet würden. Vorsorgeaufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, seien nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. nicht als Sonderausgaben abziehbar.

5. Die Kläger haben am 24.09.2018 Klage erhoben. In der Nichtberücksichtigung der einbehaltenen Renten- und Krankenversicherungsbeiträge liege ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip, wie es bereits vom Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit Urteil vom 10.07.2018 10 K 1964/17 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2018, 1515) zu einem Sachverhalt festgestellt worden sei, in dem ein inländischer Arbeitnehmer seine in das deutsche Sozialversicherungssystem eingezahlten Beiträge wegen seiner ausländischen, steuerfrei gestellten Einkünfte nicht abziehen durfte. Im vorliegenden Fall beziehe der Kläger zwar abweichend vom Fall des Urteils des FG Düsseldorf nicht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfreie ausländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Es handele sich vielmehr um inländische Einkünfte, welche aufgrund eines anderen zwischenstaatlichen Abkommens steuerfrei seien. Dieser Unterschied dürfe im Ergebnis keine Rolle spielen. In ...

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