Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfolgung von Auskunfts- und Löschungsansprüchen hinsichtlich von der Steuerfahndung im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gespeicherter personenbezogener Daten. Verwaltungsrechtsweg

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frage, welcher Rechtsweg gegeben ist, ist aufgrund des Sachvortrags des Klägers nach der Rechtsnatur seines Klagebegehrens zu entscheiden.

2. Für die Verfolgung von Auskunfts- und Löschungsansprüchen im Hinblick auf von einer Steuerfahndungsstelle im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gespeicherte personenbezogene Daten ist der Finanzrechtsweg nicht eröffnet.

3. Auskunfts- und Löschungsansprüche, die nicht auf Vorschriften der AO, sondern auf datenschutzrechtlichen Anspruchsgrundlagen nach dem BDSG beruhen, stehen nicht mit der Verwaltung von Abgaben in Zusammenhang. Sie sind bereichsübergreifend und folglich als außersteuerliche Ansprüche ausgestaltet. Darüber ist grundsätzlich unabhängig von Fragen des Abgabenrechts im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden.

 

Normenkette

FGO § 33 Abs. 1 Nrn. 1, 4, Abs. 2; AO § 32i Abs. 2; VwGO § 40 Abs. 1; VO (EU) 679/2016 Art. 15, 2 Abs. 2 Buchst. d; BDSG § 57

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.04.2020; Aktenzeichen II B 82/19)

 

Tenor

1. Der Finanzrechtsweg ist unzulässig.

2. Das Verfahren wird an das Verwaltungsgericht X verwiesen.

3. Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

Der Kläger wird steuerlich beim Finanzamt G. geführt.

Dem beklagten Finanzamt H. (Beklagter) ist nach § 17 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, 4 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) i.V. mit § 1 Nr. 25 der Verordnung des Finanzministeriums zur Übertragung von Aufgaben der Finanzverwaltung auf bestimmte Finanzämter (Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung – FAZuVO) vom 30. November 2004 (GBl. 2004, 865) die Zuständigkeit für die Aufgaben der Steuerfahndung nach § 208 Abgabenordnung (AO) für das Finanzamt G übertragen.

Die Steuerfahndungsstelle des Beklagten leitete am 28. Oktober 2015 gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren wegen Hinterziehung von eigener Umsatzsteuer für 2013 und am 29. Oktober 2015 wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer für 2013 und 2014 zugunsten der Firma Z. Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV), in X. ein. Im Rahmen einer Durchsuchung am 5. April 2016 teilte die Steuerfahndungsstelle dem Kläger die Einleitung des Strafverfahrens mit, das derzeit noch nicht abgeschlossen ist.

Im Bericht über die steuerlichen Feststellungen im Ermittlungsverfahren gegen den Kläger betreffend die Firma Z. EWIV vom 10. August 2018 (Az. 3…/2015) gab die Steuerfahndungsstelle an, der Kläger sei ihr von der Umsatzsteuerprüfungsstelle des Finanzamts G. gemeldet worden. Bei der Prüfung der Firma V. EWIV seien zahlreiche Ungereimtheiten aufgetreten. Die sich anschließenden Vorermittlungen der Steuerfahndungsstelle hätten zu dem Ergebnis geführt, dass der Kläger über viele Jahre mit einem Firmengeflecht die korrekte Besteuerung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit umgangen hätte. Er scheue sich nicht, in seinen Verfahren mit Argumenten aus der „Reichsbürgerszene” aufzuwarten bzw. diese über seinen Prozessbevollmächtigen vortragen zu lassen.

Mit Schreiben vom 9. November 2018 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Beklagten und beantragte, seinem Mandanten nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO – (vom 27. April 2016, VO (EU) 2016/679, ABl. L 119) Auskunft über die gespeicherten Daten zu geben, auf die sich die Behauptung stütze, der Kläger bediene sich Argumenten der „Reichsbürgerszene”.

Der Beklagte lehnte den Antrag unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 2 Iit. d DS-GVO mit Schreiben vom 3. Dezember 2018 ab. Er führte aus, die DS-GVO finde keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

Ein weiteres Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25. Februar 2019 an den Beklagten blieb unbeantwortet.

Am 11. Juni 2019 reichte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigen Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg ein mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, Auskunft über die Dokumente zu erteilen, aus denen sich ergeben soll, dass sich der Kläger Argumenten der sogenannten „Reichsbürger” bediene, und den Beklagten weiterhin zu verpflichten, die Dokumente, aus denen sich die Reichsbürgerargumentation ergeben soll, zu löschen. Dabei gehe es dem Kläger nicht um die Geltendmachung von Akteneinsicht, sondern um den Beleg für seine angebliche Zugehörigkeit zu der Gruppe der Reichsbürger.

Der Prozessbevollmächtigte verweist auf eine Pressemeldung unter „https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/reichsbuergerfinanzaemter-greifen-hart-durch-a-1276792.html” über das „harte Durchgreifen” von Finanzämtern bei...

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