Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Aussetzung der Vollziehung bei der Versagung der Eintragung der Lohnsteuerklassen III und V auf der Lohnsteuerkarte für Steuerpflichtige, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Aussetzung der Vollziehung ist die statthafte Form des vorläufigen Rechtsschutzes, wenn das FA die Änderung der Eintragung der Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte ganz oder teilweise ablehnt.

2. Steuerpflichtigen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz leben, ist kein vorläufiger Rechtsschutz hinsichtlich der Eintragung der Lohnsteuerklassen III und V zu gewähren.

3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Änderung der Lohnsteuerklassen III und V für Steuerpflichtige, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, rechtfertigen keine Aussetzung der Vollziehung, da das Interesse des Fiskus an der Anwendung des formell bestehenden Gesetzes gegenüber dem Interesse der Antragsteller an einer vorübergehenden höheren Vorauszahlung der Lohnsteuer überwiegt.

 

Normenkette

EStG § 38b S. 2 Nrn. 3-5; LPartG; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 69

 

Tenor

1) Der Antrag wird abgelehnt.

2) Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

3) Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob den in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) lebenden Antragstellern (Ast) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Lohnsteuer(LSt-)Klassen III und V zu gewähren sind.

Die Ast leben in gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft und haben im Jahr 2001 eine Lebenspartnerschaft im Sinne des LPartG geschlossen. Sie leben nicht dauernd getrennt und sind beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Auf ihren für das Jahr 2011 fortgeltenden LSt-Karten des Jahres 2010 ist für beide Ast die LSt-Klasse I eingetragen.

Mit Schreiben vom 18. März 2011 beantragten sie beim Antragsgegner (Ag), ihre LSt-Klassen dergestalt zu ändern, dass der Ast zu 1) die LSt-Klasse III und der Ast zu 2) die LSt-Klasse V erhält. Dabei machten sie geltend, sie würden durch die Weigerung des Ag, wie – heterosexuelle – verheiratete Personen behandelt zu werden, gleichheitswidrig benachteiligt. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf ihr Schreiben vom 18. März 2011 Bezug genommen.

Mit Bescheiden vom 4. April 2011 (gegenüber dem Ast zu 1) bzw. vom 5. April 2011 (gegenüber dem Ast zu 2) lehnte der Ag die Anträge der Ast ab. Zur Begründung führte er jeweils aus, seit dem 1. August 2001 könnten zwei Personen gleichen Geschlechts eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründen. Das Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft sei zwar dem Rechtsinstitut der bürgerlichen Ehe im Sinne des (i.S.d.) Art. 6 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit (i.V.m.) den §§ 1303 ff. des Bürgerlichen Gesetzesbuchs (BGB) nachempfunden, entspreche dieser aber nicht. Mit dem Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften sei eine Vielzahl von Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Einführung der Lebenspartnerschaft angepasst worden. Steuerrechtliche Regelungen seien jedoch nicht Gegenstand dieses Gesetzes. Die §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ließen deshalb weiterhin eine Zusammenveranlagung von Ehegatten zu, setzten also das Bestehen einer bürgerlichen Ehe zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts voraus. Lebenspartnern i.S.d. LPartG stehe die Zusammenveranlagung, ebenso wie die getrennte Veranlagung von Ehegatten nach § 26a EStG, wegen des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes nicht offen. Die von den Ast beantragte Änderung der LSt-Klassen auf III und V sei daher nicht möglich. Entsprechende Anträge müssten deshalb abgelehnt werden und für die Lebenspartner die Steuerklassen entsprechend der Einzelveranlagungen beibehalten werden.

Mit Schreiben vom 12. April 2011 legten die Ast jeweils Einspruch ein. Zur Begründung bezogen sie sich auf die Begründung ihres Antragsschreibens vom 18. März 2011 sowie auf den Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 9. November 2010 10 V 309/10 und beantragten außerdem, die Vollziehung der Ablehnung der Änderung der LSt-Klassen gemäß § 361 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) aufzuheben, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ablehnenden Bescheide vom 4. und 5. April 2011 bestünden.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 lehnte der Ag die Anträge der Ast auf Gewährung von Ausssetzung der Vollziehung (AdV) ab und bezog sich zur Begründung auf die Gründe der Ablehnungsbescheide.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2011 beantragten die Ast beim Finanzgericht, im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) anzuordnen, dass in die LSt-Karten des Ast zu 1) die LSt-Klasse III und in die LSt-Karte des Ast zu 2) die LSt-Klasse V einzutragen seien. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, die ihnen derzeit jeweils zugeteilte LSt-Klasse I sei unrichtig, weil sie am 1. Januar 2011 nich...

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