Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Außenprüfung. Auswahlermessen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nur wegen der faktischen Unmöglichkeit, alle unter § 193 Abs. 1 AO fallenden Steuerpflichtigen vollständig und gleichermaßen zu prüfen, ist die Entscheidung darüber, wer von diesem Adressatenkreis wann geprüft wird, in das Auswahlermessen der Finanzbehörde gestellt. Deshalb ist bei der Ermessensausübung nach § 193 Abs. 1 AO für die Berücksichtigung eines auf Eingriffsverschonung gerichteten Individualinteresses grundsätzlich kein Raum. Seine Grenze findet das Auswahlermessen lediglich im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Willkür- und Schikaneverbot.

2. Allein in dem Umstand, dass eine Außenprüfung angeordnet wurde, um den Eintritt der Festsetzungsverjährung zu verhindern, liegt kein Verstoß gegen das Schikaneverbot.

 

Normenkette

AO 1977 § 193 Abs. 1

 

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Außenprüfung.

I.

Die Antragstellerin ist durch Umwandlungsbeschluss vom 3. August 2001 formwechselnd zum 1. Januar 2001 aus der … GmbH & Co. KG (im Folgenden KG) hervorgegangen. Gesellschafter sind die Eheleute … und … mit 99,9 v.H. und 0,1 v.H. der Anteile. Geschäftsführer der Antragstellerin sind Herr … und sein Sohn ….

Bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der KG, fand für den Prüfungszeitraum 1995 bis 1998 eine Außenprüfung durch den Antragsgegner statt. Mit der Prüfung wurde am 7. August 2000 begonnen. Am 11. Dezember 2000 wurde gegen … ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eingeleitet. Das Steuerstrafverfahren gegen Herrn … hat die Staatsanwaltschaft geschlossen, da ein Straftatbestand nicht verwirklicht sei. Mit Verfügung vom 19. Mai 2003 wurde das Verfahren an die Straf- und Bußgeldsachenstelle mit der Bitte um Übernahme als Bußgeldsache zurückgesandt, die es am 23. Juli 2003 übernommen hat. Am 8. November 2004 wurde der steuerliche Berater der Antragstellerin telefonisch unterrichtet, dass bei der Firmengruppe … aus Verjährungsgründen noch im Jahr 2004 mit der Anschlussprüfung für die Jahre ab 1999 begonnen werden solle. Unter dem Datum des 15. November 2004 wurde für die Jahre 1999 und 2000 bei der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, der KG, und unter demselben Datum für die Jahre 2001 bis 2003 bei der Antragstellerin eine Anschlussprüfung angeordnet. Mit der Prüfung wurde am 16. Dezember 2004 begonnen. Seit dem 12. Januar 2005 ist die Anschlussprüfung unterbrochen. Die Prüfung für die Jahre 1995 bis 1998 bei der KG wurde mit Prüfungsbericht der Steuerfahndungsstelle vom 30. Juni 2005 abgeschlossen. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen ergeben sich erhebliche Steuernachzahlungen.

Gegen die Prüfungsanordnung des Finanzamts … vom 15. November 2004 legte die Antragstellerin Einspruch ein. Zugleich beantragte sie die Vollziehung der Prüfungsanordnung auszusetzen. Der Einspruch wurde vom Finanzamt … mit Bescheid vom 31. Januar 2005 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 10 K 70/05 geführt wird. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung ist noch nicht verbeschieden.

Die Prüfungsanordnung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Willkürverbot. Sie diene allein der Unterbrechung der Verjährung. Nach Ablauf der Frist des § 169 Abs. 2 AO sei eine Prüfungsanordnung nur noch zulässig, wenn die Finanzbehörde Verdachtsmomente im Sinne eines strafprozessualen Anfangsverdachts habe. An einem solchen Verdacht fehle es im Streitfall. Weder die Betriebsprüfung bei der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin noch das gegen Herrn … eingeleitete Strafverfahren seien bei Erlass der angefochtene Prüfungsanordnung zum Abschluss gebracht worden. Auch seien hierbei keinerlei steuerstrafrechtlich relevante Erkenntnisse gewonnen worden. Die Prüfungsanordnung gegenüber der Antragstellerin stelle deshalb eine reine Willkürmaßnahme dar, da keinerlei Anhaltspunkte vorlägen, die Anlass zu der Befürchtung geben könnten, dass für den Prüfungszeitraum Steuernachzahlungen zu erwarten seien.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 15. November 2004 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Die angefochtene Prüfungsanordnung sei rechtmäßig, da es sich bei der KG bzw. der Antragstellerin um einen Großbetrieb handele. Der Umstand, dass die Vorprüfung – bei Anordnung der Anschlussprüfung – noch nicht abgeschlossen gewesen sei, sei unerheblich. Die angefochtene Prüfungsanordnung sei auch nicht wegen mangelnder Begründung rechtswidrig. Insoweit genüge der Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO.

Der vorstehende Streitstand ist den Gerichtsakten und den vom Antragsgegner vorgelegten Akten (§ 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –) entnommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Antrag auf Ausset...

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