1.5.1 Unternehmensspezifische Einflussfaktoren

Die beschriebene Eye-Tracking-Methode führte im Rahmen umfangreicher Experimentalreihen zu jenen empirisch abgesicherten allgemeinen Gestaltungsempfehlungen, welche im vorliegenden Leitfaden präsentiert werden. Es soll damit aber keinesfalls das Bild vermittelt werden, als gäbe es ein "one-size-fits-all", also einen Standard, der für alle Unternehmen und alle Berichtsempfänger gleichermaßen passt. Es gilt vielmehr, die Aufbereitung an unternehmens- aber auch personenbezogene Eigenschaften anzupassen.

Die Branche und das Geschäftsmodell haben einen wichtigen Einfluss auf das Reporting. Mit welchen monetären und nicht-monetären Kennzahlen wird die Performance gemessen? Sollen beispielsweise viele Filialen miteinander verglichen oder aber vielleicht Projekte über die gesamte Laufzeit verfolgt werden? Welchen Stellenwert hat die Planung? Wird primär im Vergleich zum Budget oder im Vergleich zum Vorjahr gesteuert? Oder ist vor allem der (rollierende) Forecast relevant? Zusätzlich spielen langjährige Gewohnheiten der Berichtsempfänger eine ganz große Rolle. Je öfter Informationen in derselben Aufbereitung in der Vergangenheit verwendet wurden, desto automatischer laufen Verarbeitungsprozesse ab. Eine grundlegende Umstellung kann deshalb zu Problemen durch einen fehlenden "Fit" führen. Zudem hat jedes Unternehmen ein eigenes Führungsverständnis. Wie zahlenorientiert ist das Management? Soll es ein reiner Zahlenbericht oder einer mit umfangreiche Kommentare sein? Zusätzlich sind Faktoren wie Herkunft (Kultur) und persönliche Eigenschaften der Berichtsempfänger (Motivation, bevorzugte Methoden zur Entscheidungsfindung, Persönlichkeitstyp, Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses) beim Lesen und Verstehen von Visualisierungen wesentlich. Und schließlich gibt auch die im Unternehmen verwendete systemtechnische Reporting-Lösung Möglichkeiten und Grenzen für das Reporting Design vor.

Es gibt also viele Gründe, weshalb allgemeine Gestaltungsempfehlungen oder Standards zwar eine sehr gute Basis für die unternehmensspezifische Optimierung sind, aber eben noch keine fertige perfekte Lösung. Die menschliche Wahrnehmung ist sehr individuell, geprägt primär durch Erfahrung, Ausbildung, Fachkenntnis, Persönlichkeitstypus und kulturellen Hintergrund.

1.5.2 Ablauf eines Reporting-Design-Projekts

Um zu einem individuellen Standard zu kommen, bietet sich die vorgestellte Eye Tracking-Methodik an, die auch im jeweiligen Unternehmen mit dessen Berichtsempfängern als Testpersonen eingesetzt werden kann. Abb. 10 veranschaulicht einen in der Praxis bewährten beispielhaften Ablauf eines Reporting-Design-Projekts.

Abb. 10: Prozessablauf eines Reporting-Design-Projekts

Erfolgversprechend ist dabei die Auswahl eines Pilotberichts bzw. eines Dashboards (Hinweis: Definition Dashboard ist in Kapitel 2.6 zu finden), anhand dessen das neue Reporting Design schrittweise entwickelt und an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst wird. Für diesen sollte im Detail analysiert werden,

  • welche Informationen dargestellt sind,
  • welchen Zweck die Informationen bzw. Berichtelemente haben und
  • ob die Vorstellungen der Berichtsersteller sowie der Berichtsempfänger dazu übereinstimmen.

Erst nach eingehender Analyse des aktuellen Berichtes bzw. Dashboards, sowie einer Erhebung der Daten zum Empfängerkreis (Fachkenntnis, Erfahrungsstand, Vorlieben etc.) und der softwaretechnischen Möglichkeiten, kann mit der Optimierung begonnen werden.

Zunächst werden auf Grundlage empirisch abgesicherter Gestaltungsempfehlungen alternative Darstellungsformen zum Originalbericht bzw. -Dashboard entwickelt. Im nächsten Schritt wird in Abstimmung mit den Berichtsverantwortlichen eine erste Vorauswahl getroffen und festgelegt, welche Designalternativen oder auch nur einzelne offene Designfragen mittels Eye Tracking getestet werden sollen. Der Eye-Tracking-Test selbst ist für die Teilnehmer wenig aufwendig und dauert im Normalfall nur in etwa 20 bis 30 Minuten.

Nach Durchführung der Tests werden diese, wie bereits in Kapitel 1.4 allgemein beschrieben, ausgewertet. Im Zuge dessen können die Unternehmensberichte bzw. Unternehmensdashboards entsprechend ihrer Effektivität und Effizienz wie in Abb. 11 dargestellt kategorisiert werden.

Abb. 11: Kategorisierung von Berichten

Die Auswertung der Eye-Tracking-Ergebnisse kann auch auf spezifische User-Gruppen ausgerichtet werden. Häufige Vergleiche sind: Führungsebene vs. Mitarbeiter, Mitarbeiter aus dem Bereich Vertrieb vs. Mitarbeiter aus dem Bereich Produktion oder Finanzen etc. Abb.  12 zeigt, wie ein solcher Vergleich aussehen kann.

Abb. 12: Dashboards im Effektivitäts- und Effizienzvergleich

Dashboard 4 verursachte beispielsweise bei Empfängergruppe 2 eine Fehlerrate von 50 % bei einer durchschnittlichen Antwortzeit von 20 Sekunden, während dasselbe Dashboard von Gruppe 1 deutlich langsamer gelesen wurde (Durchschnitt 27 Sekunden) aber dabei eine deutlich geringere Fehlerrate auftrat. Report 3 lag bei beiden Gruppen in Bezug auf die Fehlerrate in einem enorm hohen Bereich von 64 % bzw. 90 %.

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