Entscheidungsstichwort (Thema)
Zolltarif, Tarifierung, Nichtvolative Pflanzenmischung, Mischung aus Rapsöl und Sonnenblumenöl
Leitsatz (amtlich)
Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der sich aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 ergebenden Fassung ist dahin auszulegen, dass bei der Entscheidung darüber, ob eine Pflanzenölmischung wie die im Ausgangsverfahren fragliche als genießbare Pflanzenölmischung in die Unterposition 1517 90 91 dieser Nomenklatur oder als ungenießbare Pflanzenölmischung in deren Unterposition 1518 00 31 einzureihen ist, alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, soweit sie sich auf die dieser Ware innewohnenden objektiven Merkmale und Eigenschaften beziehen. Unter den relevanten Gesichtspunkten, die die Einstufung einer solchen Mischung als „ungenießbar“ rechtfertigen können, sind die im Rahmen der Zollerklärung gemachten Angaben des Herstellers dieser Mischung, wonach aufgrund der Merkmale ihres Herstellungsverfahrens das Vorliegen schädlicher Stoffe in der Mischung nicht ausgeschlossen werden könne, zu würdigen. Insoweit reicht der Umstand, dass eine Analyse von Stichproben aus einer solchen Pflanzenölmischung keinen Nachweis für das Vorliegen schädlicher Stoffe darin erbracht hat, für sich genommen nicht aus, um die Einstufung der fraglichen Mischung als „ungenießbar“ in Frage zu stellen. Eine solche Folgerung setzt gemäß den Art. 62, 68 und 71 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 geänderten Fassung das Vorliegen anderer relevanter Nachweise voraus, die geeignet sind, die Richtigkeit der Angaben zum Herstellungsverfahren der fraglichen Mischung, die ihr Hersteller in der Anmeldung gemacht hat, in Frage zu stellen.
Normenkette
EWGV 2658/87 Anhang I
Beteiligte
Verfahrensgang
Administrativa apgabaltiesa (Lettland) (Beschluss vom 13.05.2015; ABl. EU 2015, Nr. C 245/11) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 ‐ Gemeinsamer Zolltarif ‐ Tarifierung ‐ Kombinierte Nomenklatur ‐ Unterpositionen 1517 90 91 und 1518 00 31 ‐ Flüssige, native, nicht volatile Pflanzenmischung, bestehend aus Rapsöl (88 %) und Sonnenblumenöl (12 %)“
In der Rechtssache C-233/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Administratīvā apgabaltiesa (regionales Verwaltungsgericht, Lettland) mit Beschluss vom 13. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Mai 2015, in dem Verfahren
SIA „Oniors Bio“
gegen
Valsts ieņēmumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby sowie der Richter M. Safjan und M. Vilaras (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und G. Bambāne als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sauka und A. Caeiros als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Unterpositionen 1517 90 91 und 1518 00 31 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der sich aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 (ABl. L 282, S. 1) ergebenden Fassung (im Folgenden: KN).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SIA „Oniors Bio“ (im Folgenden: Oniors Bio) und dem Valsts ieņēmumu dienests (lettische Steuerverwaltung, im Folgenden: VID) über die zolltarifliche Einreihung einer Mischung von flüssigen, fetten pflanzlichen Ölen, roh (88 % Rapsöl und 12 % Sonnenblumenöl), in die KN.
Rechtlicher Rahmen
Die KN und das HS
Rz. 3
Die Tarifierung von Waren, die in die Europäische Union eingeführt werden, richtet sich nach der KN. Diese beruht auf dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS), das durch den Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), der durch das am 15. Dezember 1950 in Brüssel unterzeichnete Abkommen zur Gründung dieses Rates errichtet worden war, erarbeitet wurde. Das HS wurde durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene und mit seinem Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschafts...