Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung, Ausfuhrlieferungen, Nichtkommerzieller Reiseverkehr

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 131, Art. 146 Abs. 1 Buchst. b sowie die Art. 147 und 273 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, nach der im Rahmen einer Ausfuhrlieferung von Gegenständen zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden der steuerpflichtige Verkäufer im vorangegangenen Steuerjahr einen Mindestumsatz erzielt oder einen Vertrag mit einem zur Mehrwertsteuererstattung an Reisende berechtigten Wirtschaftsteilnehmer geschlossen haben muss, entgegenstehen, sofern ihm allein durch die Nichterfüllung dieser Bedingungen die Steuerbefreiung der Lieferung endgültig verwehrt ist.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 131, 146 Abs. 1 Buchst. b, Art. 147, 273

 

Beteiligte

Pienkowski

Stanislaw Pienkowski

Dyrektor Izby Skarbowej w Lublinie

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 27.01.2016; ABl. EU 2016, Nr. C 335/32)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Mehrwertsteuer ‐ Art. 131 ‐ Art. 146 Abs. 1 Buchst. b ‐ Art. 147 ‐ Steuerbefreiungen bei der Ausfuhr ‐ Art. 273 ‐ Regelung eines Mitgliedstaats, die die Anwendung der Befreiung daran knüpft, dass ein Mindestumsatz erzielt oder ein Vertrag mit einem zur Mehrwertsteuererstattung an Reisende berechtigten Wirtschaftsteilnehmer geschlossen wurde“

In der Rechtssache C-307/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 27. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Mai 2016, in dem Verfahren

Stanisław Pieńkowski

gegen

Dyrektor Izby Skarbowej w Lublinie

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits und A. Borg Barthet (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. September 2017

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 131, Art. 146 Abs. 1 Buchst. b sowie der Art. 147 und 273 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Stanisław Pieńkowski und dem Dyrektor Izby Skarbowej w Lublinie (Direktor der Finanzkammer in Lublin, Polen) wegen der Befreiung der Lieferung von Gegenständen, die von Reisenden im persönlichen Gepäck aus der Europäischen Union ausgeführt werden, von der Mehrwertsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Als ‚Lieferung von Gegenständen‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“

Rz. 4

Art. 131 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 [des Titels IX der Mehrwertsteuerrichtlinie] werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“

Rz. 5

In Titel IX Kapitel 6 („Steuerbefreiungen bei der Ausfuhr“) sieht Art. 146 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

b) die Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht in ihrem jeweiligen Gebiet ansässigen Erwerber oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, mit Ausnahme der vom Erwerber selbst beförderten Gegenstände zur Ausrüstung oder Versorgung von Sportbooten und Sportflugzeugen sowie von sonstigen Beförderungsmitteln, die privaten Zwecken dienen“.

Rz. 6

Art. 147 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„(1) Betrifft die in Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b genannte Lieferung Gegenstände zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden, gilt die Steuerbefreiung nur, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a) der Reisende ist nicht in der Gemeinschaft ansässig;

b) die Gegenstände werden vor Ablauf des dritten auf die Lieferung folgenden Kalendermonats nach Orten außerhalb der Gemeinschaft befördert;

c) der Gesamtwert der Lieferung einschließlich Mehrwertsteuer übersteigt 175 [Euro] oder den Gegenwert in Landeswährung; der Gegenwert in Landeswährung wird alljährlich anhand des am ersten Arbeitstag im Oktober geltenden Umrechnungskurses mit Wirkung...

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