Entscheidungsstichwort (Thema)

Assoziierungsabkommen EG-Tunesien, Dividendenbesteuerung, Dividendenbezug aus Drittstaat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass

‐ sich eine in Portugal ansässige Gesellschaft, die Dividenden von in Tunesien bzw. in Libanon ansässigen Gesellschaften erhält, auf Art. 63 AEUV berufen kann, um sich gegen die steuerliche Behandlung solcher Dividenden in Portugal zu wehren, die auf der Grundlage einer Regelung erfolgt, die nicht ausschließlich auf Situationen Anwendung finden soll, in denen die Gesellschaft, die die Dividenden erhält, entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, die die Dividenden ausschüttet;

‐ eine Regelung wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, nach der eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft Dividenden, die von einer ebenfalls dort ansässigen Gesellschaft an sie ausgeschüttet werden, ganz oder teilweise von der Steuerbemessungsgrundlage abziehen kann, von einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft an sie ausgeschüttete hingegen nicht, eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten darstellt, die Art. 63 AEUV grundsätzlich verbietet;

‐ die Versagung eines vollen oder teilweisen Abzugs der erhaltenen Dividenden von der Steuerbemessungsgrundlage gemäß Art. 46 Abs. 1 und 8 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Coletivas (Körperschaftsteuergesetzbuch) in der 2009 geltenden Fassung durch das Gebot der wirksamen steuerlichen Überwachung als zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann, wenn es sich für die Steuerbehörden des Mitgliedstaats, in dem die Gesellschaft, die die Dividenden erhält, ansässig ist, als unmöglich erweist, von dem Drittstaat, in dem die Gesellschaft ansässig ist, die die Dividenden ausschüttet, Informationen zu erlangen, anhand derer sich überprüfen lässt, ob die Voraussetzung der Steuerpflicht der ausschüttenden Gesellschaft erfüllt ist;

‐ die Versagung eines teilweisen Abzugs gemäß Art. 46 Abs. 11 des Körperschaftsteuergesetzbuchs in der 2009 geltenden Fassung nicht durch das Gebot der wirksamen steuerlichen Überwachung als zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann, wenn diese Vorschrift auf Situationen Anwendung finden kann, in denen nicht überprüft werden kann, ob die Gesellschaft, die die Dividenden ausschüttet, in dem Staat, in dem sie ansässig ist, steuerpflichtig ist, was zu ermitteln Sache des vorlegenden Gerichts ist.

2. Art. 64 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass

‐ die Einführung der Regelungen über Steuervergünstigungen für Investitionen vertraglicher Natur durch Art. 41 Abs. 5 Buchst. b des Estatuto dos Benefícios Fiscais (Regelung über Steuervergünstigungen) in der 2009 geltenden Fassung und über Dividenden aus afrikanischen Ländern mit Amtssprache Portugiesisch und aus Timor-Leste (Osttimor) durch Art. 42 der genannten Regelung am Rechtsrahmen der Behandlung von Dividenden aus Tunesien und Libanon nichts geändert hat, und damit auch nichts an der Einstufung des Ausschlusses der von den in diesen Drittstaaten ansässigen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden von der Möglichkeit eines vollen oder teilweisen Abzugs als bestehende Beschränkung;

‐ sich ein Mitgliedstaat der Möglichkeit gemäß Art. 64 Abs. 1 AEUV begibt, wenn er, ohne die bestehende Regelung förmlich aufzuheben oder zu ändern, eine internationale Übereinkunft wie ein Assoziationsabkommen schließt, die in einer Vorschrift mit unmittelbarer Wirkung die Liberalisierung von Kapital im Sinne von Art. 64 Abs. 1 AEUV vorsieht, und eine solche Änderung des Rechtsrahmens daher, was ihre Wirkungen auf die Möglichkeit, sich auf Art. 64 Abs. 1 AEUV zu berufen, angeht, der Einführung einer neuen Regelung, die auf einem anderen Grundgedanken als dem der bestehenden Regelung beruht, gleichzusetzen ist.

3. Art. 34 Abs. 1 des am 17. Juli 1995 in Brüssel unterzeichneten, mit Beschluss 98/238/EG, EGKS des Rates und der Kommission vom 26. Januar 1998 im Namen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl genehmigten Europa‐Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits ist dahin auszulegen,

‐ dass er unmittelbare Wirkung hat und in einer Situation wie der, um die es im Ausgangsverfahren geht, in der eine in Portugal ansässige Gesellschaft von einer in Tunesien ansässigen Gesellschaft aufgrund ihrer Direktinvestition in diese Gesellschaft Dividenden erhält, herangezogen werden kann, um sich gegen die steuerliche Behandlung dieser Dividenden in Portugal zu wehren;

‐ eine Regelung wie diejenige, um die es im Ausgangsverfahren geht, nach der eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft Dividenden, die von einer ebenfalls dort ansässigen Gesellschaft an sie ausgeschüttet werden, ganz oder teilweise von der Steuerbemessungsgrundlage abziehen kann, von einer in Tunesien an...

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