Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerzuschlag, Nichterfüllung steuerlicher Aufzeichnungspflichten, Grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, Mitwirkungspflichten, Aufzeichnungspflichten, Dokumentationspflichten, Schätzung der Besteuerungsgrundlage

 

Normenkette

AEUV Art. 49

 

Beteiligte

Finanzamt Bremen

X GmbH & Co. KG

Finanzamt Bremen

 

Verfahrensgang

FG Bremen (Beschluss vom 07.07.2021; Aktenzeichen 2 K 187/17 (3); EFG 2021, 1665)

 

Tenor

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen erstens der Steuerpflichtige einer Dokumentationspflicht im Hinblick auf Art und Inhalt sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen von Preisen und anderen geschäftlichen Bedingungen seiner grenzüberschreitenden Geschäftsvorfälle mit Personen unterliegt, zu denen eine auf das Kapital oder andere Punkte bezogene Verflechtung besteht, die es diesem Steuerpflichtigen oder diesen Personen ermöglicht, auf den oder die jeweils anderen einen sicheren Einfluss auszuüben, und nach denen zweitens vorgesehen ist, dass bei einem Verstoß gegen diese Pflicht nicht nur widerlegbar vermutet wird, dass seine steuerbaren Einkünfte im betreffenden Mitgliedstaat höher sind als die erklärten Einkünfte, wobei die Steuerbehörde zulasten des Steuerpflichtigen eine Schätzung vornehmen kann, sondern auch ein Zuschlag verhängt wird, der mindestens 5 % und höchstens 10 % des ermittelten Mehrbetrags der Einkünfte bei einem Mindestbetrag von 5 000 Euro beträgt, es sei denn, die Nichterfüllung dieser Pflicht ist entschuldbar oder das Verschulden geringfügig.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Bremen (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juli 2021, in dem Verfahren

X GmbH & Co. KG

gegen

Finanzamt Bremen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der X GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwälte S. Stahlschmidt und J. Uterhark sowie Steuerberaterin M. Giese,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und V. Uher als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 und 49 EG sowie der Art. 49 und 56 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der X GmbH & Co. KG und dem Finanzamt Bremen (Deutschland) über einen Zuschlag auf das steuerbare Einkommen (im Folgenden: Steuerzuschlag), den dieses wegen Nichterfüllung der steuerlichen Aufzeichnungspflichten zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen festgesetzt hatte.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In § 90 der Abgabenordnung (BGBl. 2002 I S. 3866) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: AO), in dem es um die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen geht, heißt es:

„(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

(3) Bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, hat ein Steuerpflichtiger über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 des [Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) vom 8. September 1972 (BGBl. 1972 I S. 1713) (im Folgenden: AStG)] Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden. Bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind die Aufzeichnungen zeitnah zu erstellen. Die Aufzeichnungspflichten gelten entsprechend für Steuerpflichtige, die für die inländische Besteuerung Gewinne zwischen ihrem inländischen Unternehmen und dessen ausländischer Betriebsstätte aufzuteilen oder den Gewinn der inländischen Betriebsstätte ihres ausländischen Unternehmens zu ermitteln haben. Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen. Die Finanzbehörde soll die Vorlage von Aufzeichnungen in der Regel nur f...

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