Entscheidungsstichwort (Thema)

Dividendenbezug von ausländischer Tochtergesellschaft, Minderung des Steuervorabzugs, Diskriminierung, Steuervorabzug für Weiterausschüttung von Dividenden von EU-ausländischen ansässigen Tochtergesellschaften

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Französische Republik hat dadurch, dass sie es abgelehnt hat, bei der Berechnung der Erstattung des Steuervorabzugs für ausgeschüttete Dividenden, den eine gebietsansässige Gesellschaft auf die Weiterausschüttung von Dividenden gezahlt hat, die von einer gebietsfremden Gesellschaft über eine gebietsfremde Tochtergesellschaft ausgeschüttet worden sind, die Besteuerung der entsprechenden Gewinne auf der Ebene dieser gebietsfremden Gesellschaft zu berücksichtigen, obwohl die Besteuerung ausgeschütteter Dividenden nach dem nationalen System der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bei einer rein innerstaatlichen Beteiligungskette auf jeder Stufe der Beteiligungskette neutralisiert werden kann, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 49 und 63 AEUV verstoßen.

2. Die Französische Republik hat dadurch, dass der Conseil d'État (Staatsrat, Frankreich) den Gerichtshof der Europäischen Union nicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV angerufen hat, um die Frage zu klären, ob bei der Berechnung der Erstattung des Steuervorabzugs für ausgeschüttete Dividenden, den eine gebietsansässige Gesellschaft auf die Weiterausschüttung von Dividenden gezahlt hat, die eine gebietsfremde Gesellschaft über eine gebietsfremde Tochtergesellschaft ausgeschüttet hat, die Berücksichtigung der Besteuerung der entsprechenden Gewinne auf der Ebene der Tochtergesellschaft abzulehnen ist, obwohl die Auslegung der Vorschriften des Unionsrechts, die der Conseil d'État in den Urteilen vom 10. Dezember 2012, Rhodia (FR:CESSR:2012:317074.20121210), und vom 10. Dezember 2012, Accor (FR:CESSR:2012:317075.20121210), vorgenommen hat, nicht derart offenkundig war, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum geblieben wäre, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Europäische Kommission und die Französische Republik tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

 

Normenkette

AEUV Art. 49, 63

 

Beteiligte

Europäische Kommission

Französische Republik

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 10. Juli 2017,

Europäische Kommission, vertreten durch J.-F. Brakeland und W. Roels als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch E. de Moustier, A. Alidière und D. Colas als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer, des Richters E. Levits (Berichterstatter), der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: M.-A. Gaudissart, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juli 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Europäische Kommission hat beim Gerichtshof Klage auf Feststellung erhoben, dass die Französische Republik dadurch, dass sie französische Muttergesellschaften, die von ausländischen Tochtergesellschaften Dividenden erhalten, unter Verstoß gegen das Unionsrecht, wie es vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. September 2011, Accor (C-310/09, EU:C:2011:581), ausgelegt worden ist, hinsichtlich des Rechts auf Erstattung der erhobenen Steuer weiter diskriminiert und unverhältnismäßig behandelt, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49, Art. 63 und Art. 267 Abs. 3 AEUV und gegen die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität verstoßen hat.

Nationales Recht

Rz. 2

Art. 146 Abs. 2 des Code général des impôts (allgemeines Steuergesetzbuch, im Folgenden: CGI) lautete in der Fassung, die für die Steuerjahre galt, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 15. September 2011, Accor (C-310/09, EU:C:2011:581), ergangen ist:

„Führt die Weiterausschüttung durch eine Muttergesellschaft zum Steuervorabzug nach Art. 223 sexies, wird dieser Vorabzug gegebenenfalls um den Betrag der Steuergutschriften gemindert, die auf die … Erträge aus Beteiligungen entfallen, die innerhalb der letzten fünf abgeschlossenen Rechnungsjahre eingenommen wurden.”

Rz. 3

Art. 158 bis Abs. 1 CGI lautete in der Fassung, die für die Steuerjahre galt, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 15. September 2011, Accor (C-310/09, EU:C:2011:581), ergangen ist:

„Personen, die von französischen Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden beziehen, verfügen insoweit über ein Einkommen bestehend aus

  1. den Beträgen, die sie von der Gesellschaft erhalten,
  2. einer Steuergutschrift, die von der Staatskasse in Form eines Guthabens bereitgestellt wurde.

Diese Steuergutschrift entspricht der Hälfte der von der Gesellschaft tatsächli...

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