Leitsatz

1. Renten der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind mit dem Besteuerungsanteil gem. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG der Besteuerung zu unterwerfen.

2. Die Einbeziehung der Erwerbsminderungsrenten in diese Vorschrift ist nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb EStG, § 55 Abs. 2 EStDV, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erhielt von der gesetzlichen Rentenversicherung Ende 2004 die Weiterzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum November 2006 bewilligt. Die Klägerin war der Auffassung, die Erwerbsminderungsrente sei mit einem Ertragsanteil i.H.v. 4 % gem. § 55 Abs. 2 EStDV zu besteuern. Das FA besteuerte die Rente im Jahr 2005 jedoch mit dem Besteuerungsanteil von 50 % gem. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Das FG hat die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage abgewiesen (FG Münster, Urteil vom 29.10.2009, 8 K 1745/07 E, Haufe-Index 2271142, EFG 2010, 329).

Ihre Revision begründen die Kläger vor allem damit, dass der fehlende Hinweis auf § 55 Abs. 2 EStDV in § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auf einem gesetzgeberischen Versehen beruhe, welches dadurch zu korrigieren sei, dass auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bezugnahme § 55 Abs. 2 EStDV zur Anwendung komme. Ein bewusster Verzicht des Gesetzgebers auf den Verweis hätte die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung in Bezug auf die Erwerbsminderungsrenten zur Folge, da sich die Neuregelung ­gerade bei abgekürzten Leibrenten erheblich auswirke.

 

Entscheidung

Der BFH war, wie oben dargestellt, anderer Auffassung. Er wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den Leibrenten i.S.d. § 22 EStG. Somit sind sie auch gem. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit ihrem (gewöhnlich höheren) Besteuerungsanteil und nicht dem Ertragsanteil zu besteuern.

1. Dieses Ergebnis dürfte niemanden überraschen, der die Gesetzgebungsmaterialien des AltEinkG aufmerksam studiert hat. Die Begründung des Gesetzentwurfs weist ausdrücklich darauf hin, dass der Regelungsgehalt des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG sämtliche Rentenarten umfasse; damit insbesondere auch Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinterbliebenenrenten, die bisher als abgekürzte Leibrenten nach der Ertragsanteilstabelle in § 55 Abs. 2 EStDV besteuert worden seien. Begründet wurde das mit der steuerlichen Entlastung der zugrunde liegenden Beiträge (vgl. BT-Drucks. 15/2150, 40).

2. Das AltEinkG ist nach Auffassung des BFH auch in Bezug auf die Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten verfassungskonform. Insbesondere liege kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, auch wenn gesetzliche Unfallrenten gem. § 3 Nr. 1 EStG steuerfrei seien und private Erwerbsminderungsrenten nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV nur mit dem Ertragsanteil besteuert würden. Ebensowenig werde das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht verletzt.

3. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot sei wie auch bei der Besteuerung der Altersrenten nicht gegeben, da eine Neuregelung der Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten ebenfalls verfassungsrechtlich geboten und bereits seit längerer Zeit mit einer Änderung der Rechtslage zu rechnen gewesen sei.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.04.2011 – X R 54/09

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge