Leitsatz

1. Der Erwerb von Vermögensgegenständen auf dem Währungsgebiet der DDR von Todes wegen, für den die Steuer vor dem 1. Juli 1990 entstanden ist, ist infolge des § 2 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 4 ErbStG 1974 – letztere Vorschrift i.d.F. des Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18.5.1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 25.6.1990 (BGBl II, 518) – nach dem Erbschaftsteuerrecht der ehemaligen DDR zu besteuern.

2. Wird die Steuer in derartigen Fällen erst nach dem Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik durch Behörden der Bundesrepublik festgesetzt, ist das anzuwendende Erbschaftsteuerrecht der DDR nicht am GG zu messen. Art. 143 Abs. 1 Satz 2 GG i.d.F. des Art. 4 Nr. 5 EinigVtr greift nicht ein. Das Einholen einer Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht möglich. Die Behörden der Bundesrepublik sind allerdings gem. Art. 20 Abs. 3 GG an das Rechtsstaatsprinzip gebunden und dürfen nicht gegen das Willkür- und Übermaßverbot verstoßen.

3. Die Belastung eines (in den alten Bundesländern wohnenden) Erben in Höhe von knapp 70 % des Erwerbs verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Willkür- und Übermaßverbot.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 3 ErbStG , § 37 Abs. 4 ErbStG , Art. 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Die im November 1989 in Leipzig verstorbene Großtante der in Westdeutschland wohnhaften Klägerin hinterließ dieser ein Sparguthaben in der DDR in Höhe von rd. 700 000 Mark der DDR (M). Von Januar bis Juni 1990 ließ die Klägerin durch Verwandte vor Ort, die sich dabei als Erben ausgaben – für Erben mit Wohnsitz in der DDR waren Sparguthaben erbschaftsteuerfrei –, Beträge von rd. 220 000 M abheben und in den Westen transferieren. Dort tauschte sie die Beträge in 40 000 DM um. Das Restguthaben wurde nach der Währungsunion 2 : 1 umgestellt.

In 1996 setzte das FA die Steuer nach dem Erbschaftsteuerrecht der DDR gem. Steuerklasse II und bei einem Steuersatz von 79 % auf rd. 275 000 DM fest. Anschließend erließ es aus Billigkeitsgründen einen Teilbetrag von rd. 31 000 DM und setzte die Steuer durch Änderungsbescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO entsprechend herab. Dadurch minderte sich die Steuerbelastung auf 69,72 %.

Das FG wies die Klage, mit der die Klägerin eine Besteuerung nach dem Erbschaftsteuerrecht der Bundesrepublik (Steuerklasse IV; Steuersatz 34 %) beantragt hatte, ab. Auch die Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH stellt zunächst heraus, dass der Streitfall keinen Erwerb betrifft, der nach dem 2.10.1990 stattgefunden hat und auf den das Erbschaftsteuerrecht der DDR deshalb noch anwendbar ist, weil der Einigungsvertrag dessen befristete Weitergeltung über den 2.10. hinaus angeordnet hat. Dies hat zur Folge, dass Art. 143 Abs. 1 Satz 2 GG nicht einschlägig ist. Die Anwendung des Erbschaftsteuerrechts der DDR ergibt sich vielmehr bereits aus § 2 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 4 ErbStG 1974 (letztere Vorschrift in der Fassung des Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18.5.1990 (BGBl II, 537) über die Schaffung der Währungsunion.

Daraus folgt, dass das Erbschaftsteuerrecht der DDR im Streitfall nicht am GG zu messen ist und dass die von der Klägerin beantragte Aussetzung des Verfahrens zur Einholung einer Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht kommt. Allerdings ist die Steuer von einer Behörde der inzwischen um die neuen Länder erweiterten Bundesrepublik festgesetzt worden. Deren Behörden unterliegen gem. Art. 20 Abs. 3 GG dem Rechtsstaatsprinzip. Sie dürfen daher das Recht der DDR nur insoweit anwenden, wie es nicht tragenden rechtsstaatlichen Prinzipien zuwiderläuft. Derartige Prinzipien sind das Willkür- und das Übermaßverbot.

Beide Prinzipien sind im Streitfall nicht verletzt. Dabei ist auf die Steuerbelastung von 69,72 %, die sich aufgrund des Teilerlasses ergeben hat, abzustellen. Die Tatsache, dass die Klägerin einen Teil des Guthabens in den Westen verbracht und dort zu einem wesentlich schlechteren Kurs umgetauscht hat, als er später durch die Währungsunion festgelegt worden ist, ist wegen des erbschaftsteuerrechtlichen Stichtagprinzips unbeachtlich.

 

Hinweis

Bei Erwerben, auf die noch das Erbschaftsteuerrecht der DDR anzuwenden ist, ist zu unterscheiden, wann die Steuer entstanden ist. Dabei sind drei Phasen zu trennen. Die 1. Phase betrifft die Zeit bis Ende Juni 1990, die 2. Phase die Zeit vom 1. 7. bis zum 2.10.1990 und die 3. Phase die Zeit ab dem 3.10.1990.

Für die 1. Phase beruht die Anwendung des Erbschaftsteuerrechts der DDR auf § 2 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 4 ErbStG 1974 i.d.F. des Gesetzes zum Vertrag über die Währungsunion, für die 2. Phase auf Art. 31 Abs. 4 und 5 dieses Vertrags und für die 3. Phase auf dem Einigungsvertrag.

Bei einem Teilerlass beurteilt sich die Frage nach der erdrosselnden Wirkung einer Steuer nicht nach der ursprünglichen, sondern nach der verbliebenen Belastung.

 

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BFH, Urteil ...

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