OFD Frankfurt, 19.6.2006, S 2221 A - 8 - St 218

Bezug: OFD Frankfurt 30.7.2002, S 2221 A – 8 – St II 27

 

I. Erstattung aufgrund einer tatsächlichen Überzahlung

Ist im Jahr der Erstattung von Sonderausgaben ein Ausgleich mit gleichartigen Aufwendungen nicht oder nicht in vollem Umfang möglich, so ist der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung insoweit um eine nachträgliche Erstattung zu mindern (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; vgl. BMF-Schreiben vom 11.7.2002, ESt-Kartei § 10 Fach 5 Karte 9).

Diese Rechtsgrundsätze sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden und beziehen sich auf alle Arten von Sonderausgaben. Gleichartige Aufwendungen in diesem Sinne sind die Sonderausgaben der jeweiligen Nummer im § 10 EStG, nicht aber der Kennzahl im Vordruck. Somit sind also zunächst z.B. Erstattungen zu Haftpflichtversicherungen auch mit Zahlungen für Krankenversicherungen des gleichen Veranlagungszeitraums zu verrechnen, bevor ein Übererstattungsbetrag mit entsprechenden Zahlungen eines Vorjahres zu verrechnen ist.

Übererstattungen ergeben sich insbesondere im Bereich der Kirchensteuer. In diesen Fällen ist zunächst mittels „I-Abfrage” zu ermitteln, für welche Jahre die Erstattung erfolgte und in welchen Jahren die nunmehr erstattete Kirchensteuer gezahlt wurde. Ein Aufgriff der Fälle erfolgt jedoch erst bei einem Erstattungsüberhang von mehr als 200 EUR (sog. Nichtaufgriffsgrenze, vgl. OFD-Verfügung vom 3.4.2003, O 2252 A – 20 – St II 2.09).

Kann der Erstattungsüberhang im Rahmen einer gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO durchgeführten Änderungsfestsetzung des Jahres der Verausgabung nicht vollständig berücksichtigt werden, weil das zu kürzende Kirchensteuervolumen geringer ist als der in Abzug zu bringende Erstattungsüberhang, ergibt sich der sog. Kaskadeneffekt.

Nach einem bundeseinheitlichen Beschluss der AO-Referatsleiter findet – abweichend von der Bezugsverfügung – auch in derartigen Fällen § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO Anwendung.

Beispiel 1: (Kaskadeneffekt)

Bei der Veranlagung 2004 der Stpfl. beträgt die gezahlte KiSt 4.000 EUR. Die erstattete KiSt beträgt 6.000 EUR. Sie besteht ausschließlich aus KiSt für den VZ 2002, die auch in 2002 gezahlt wurde (insgesamt 9.000 EUR). Aufgrund einer Verrechnung mit einer in 2002 erfolgten KiSt-Erstattung aus 2001 i.H.v. 8.000 EUR wurden jedoch nur 1.000 EUR im VZ 2002 als Sonderausgaben berücksichtigt.

Im VZ 2004 mindert der Erstattungsbetrag von 6.000 EUR aus Praktikabilitätsgründen die dort gezahlte KiSt von 4.000 EUR auf 0 EUR. Der verbleibende Erstattungsüberhang von 2.000 EUR ist in das Jahr der Zahlung, also in den VZ 2002 zurückzutragen. Der Rücktrag dient der Berücksichtigung der endgültigen wirtschaftlichen Belastung und hat insoweit Vorrang vor einer im Rücktragsjahr 2002 aus Praktikabilitätsgründen erfolgten Verrechnung. Die im VZ 2002 gezahlte KiSt i.H.v. 9.000 EUR ist daher vorrangig um den aus dem VZ 2004 stammenden Rücktrag (2.000 EUR) und erst hiernach um die aus dem VZ 2001 stammende KiSt-Erstattung (8.000 EUR) bis auf max. 0 EUR zu verrechnen. Die Verrechnung führt dabei zu einem erstmaligen Erstattungsüberhang im VZ 2002 von 1.000 EUR nicht verrechenbarer KiSt-Erstattung aus dem VZ 2001.

Der Stpfl. ist somit in Bezug auf die im VZ 2001 gezahlte KiSt rückwirkend i.H.v. 1.000 EUR wirtschaftlich nicht belastet. Der Erstattungsüberhang ist daher in den VZ 2001 zurückzutragen (Kaskadeneffekt). Die Einkommensteuerbescheide für die VZ 2002 und 2001 sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit der Maßgabe zu ändern, dass die bisher als Sonderausgaben berücksichtigten Beträge jeweils um 1.000 EUR zu mindern sind. Wurde im VZ 2001 gezahlte KiSt bereits mit erstatteter KiSt aus einem Vorjahr verrechnet, ergibt sich hieraus ggf. ein weiterer Kaskadeneffekt.

Beispiel 2:

Bei der Veranlagung 2004 des Stpfl. beträgt die im VZ 2004 gezahlte Kirchensteuer insgesamt 10.000 EUR und die erstattete Kirchensteuer insgesamt 30.000 EUR (22.500 EUR für 2003 und 7.500 EUR für 2002).

Für das Jahr 2003 wurden Kirchensteuervorauszahlungen i.H.v. 30.000 EUR geleistet.

Für das Jahr 2002 wurden Vorauszahlungen i.H.v. 10.000 EUR geleistet.

Im Jahr 2004 mindert der Erstattungsbetrag die dort gezahlte Kirchensteuer (10.000 EUR) bis auf 0 EUR. Der verbleibende Erstattungsüberhang von 20.000 EUR ist aus Vereinfachungsgründen zunächst in das jüngste Zahlungsjahr – hier VZ 2003 – zurückzutragen. Er mindert die im VZ 2003 gezahlte KiSt von 30.000 EUR auf 10.000 EUR und ist damit vollständig verbraucht, so dass ein weiterer Rücktrag in den VZ 2002 nicht in Betracht kommt. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids erfolgt nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Beantragt der Stpfl. bei Erstattungsüberhängen, die sich aus mehreren Jahren zusammensetzen, eine abweichende – weil für ihn günstigere – Form des Rücktrags, kann dies durch anteilige Aufteilung des Erstattungsüberhangs und Korrektur im jeweiligen Zahlungsjahr erreicht werden. Hierzu ist die Übererstattung den einzelnen Jahren zuzuordnen, auf die sie entfäl...

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