Leitsatz

1. Eingangsabgaben können erlassen werden, wenn dem Antrag besondere Umstände zu entnehmen sind, die einen Erlass der Abgaben rechtfertigen. Gegebenenfalls ist der Antrag von den zuständigen nationalen Behörden der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung vorzulegen.

2. Ein besonderer Umstand im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den Erlass von Eingangsabgaben liegt weder darin, dass der Eingriff organisierter Kriminalität in das gemeinschaftliche Versandverfahren die Wiedergestellung der Waren verhindert hat, noch darin, dass die Erhebung der Abgaben zu einer existenzbedrohenden Situation für den Hauptverpflichteten führen würde.

3. Außer nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, auf deren sinngemäße Anwendung das nationale Verbrauchsteuerrecht für die Eingangsabgaben verweist, kommt ein Erlass aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO 1977 nicht in Betracht.

 

Normenkette

VO (EWG) Nr. 1430/79 Art. 13 , VO (EWG) Nr. 3799/86 Art. 4 Abs. 1, , VO (EWG) Nr. 3799/86 Art. 4 Abs. 2, , VO (EWG) Nr. 3799/86 Art. 6 , AO 1977 § 227 , BGB § 166 Abs. 1, , BGB § 278 , BranntwMonG (i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes) § 154 Abs. 1 , TabStG (i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes) § 10 Abs. 1 , UStG (1991) § 5 Abs. 2 Nr. 1 , EUStBV (1984) § 17

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.08.2000, VII R 108/95

Anmerkung

In der Entscheidung geht es um Fragen, die den Erlass von Eingangsabgaben betreffen.

Die Klägerin hatte im Jahre 1992 mehrere externe Versandverfahren für den Versand von Zigaretten und Spirituosen nach Polen eröffnen lassen; diese Verfahren wurden nicht abgeschlossen. Das HZA hielt es für erwiesen, dass die im gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderten Waren nicht ordnungsgemäß gestellt wurden und nahm die Klägerin daraufhin wegen der Eingangsabgaben (Zoll, Einfuhrumsatzsteuer, Tabak- und Branntweinsteuer) in Anspruch. Der hierzu ergangene Steuerbescheid ist inzwischen bestandskräftig geworden.

Mit ihrem Antrag auf Erlass der Eingangsabgaben hatte die Klägerin keinen Erfolg. Die europarechtlichen Voraussetzungen für einen Erlass – das „Vorliegen besonderer Umstände” (Art. 13 der EWG-VO Nr. 1430/79) – lagen nach Ansicht des BFH nicht vor. Die Darstellung der Klägerin, die Waren müssten durch organisierte Kriminalität abhanden gekommen sein, reichte dem BFH nicht als Erlassgrund. Auch in der Behauptung der Klägerin, sie sei durch die Erhebung der streitigen Abgaben in eine existenzbedrohende Situation gebracht worden, sah der BFH keinen „besonderen Umstand”, der einen Erlass rechtfertigen könnte.

Schließlich scheidet nach Auffassung des BFH auch ein Erlass nach nationalem Recht aus. Die in § 227 Abs. 1 AO enthaltene Billigkeitsregelung sei auf Eingangsabgaben – einschließlich der als Eingangsabgaben zu erhebenden Verbrauchsteuern – nicht anwendbar.

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