1.6.1 Allgemeines

Das Vermächtnis ist gegenüber anderen Rechtsinstituten abzugrenzen.

1.6.2 Abgrenzung zur Erbeinsetzung

Wird eine Person als Erbe eingesetzt, so ist diese Gesamtrechtsnachfolgerin des Erblassers. Das bedeutet, sie tritt mit dem Erbfall unmittelbar in alle Rechte und Pflichten ein. Im Gegensatz dazu erhält der Vermächtnisnehmer nur einen einzelnen Vermögensvorteil.[1] Dieser steht ihm aber mit dem Erbfall nicht unmittelbar zu, sondern er erhält nur eine Forderung gegenüber dem Beschwerten auf Herausgabe des Vermächtnisses.[2] Des Weiteren haftet der Vermächtnisnehmer nicht für die Nachlassverbindlichkeiten, wie dies bei der Erbeinsetzung der Fall ist.

Im Einzelnen kann es schwierig sein festzustellen, ob vom Erblasser eine Erbeinsetzung oder die Zuwendung eines Vermögensvorteils gewollt war. Hier soll die Vorschrift des § 2087 BGB helfen. Diese Auslegungsregel besagt zum einen, dass wenn jemand zwar nicht als Erbe benannt wurde, der Erblasser diesem aber entweder das gesamte Vermögen oder einen Bruchteil des Vermögens zugewendet hat, dieser als Erbe anzusehen ist.[3]

Hat der Erblasser dagegen eine Person als Erbin bezeichnet, dieser aber nur einen einzelnen Vermögensgegenstand zugewendet, so ist diese Person im Zweifel keine Erbin, sondern Vermächtnisnehmerin.[4]

Wie zu verfahren ist, wenn der Erblasser in seinem Testament nur Vermächtnisse ausgesetzt hat, aber keinen Erben, hat das OLG München entschieden. Hat demnach ein Erblasser nicht ausdrücklich einen oder mehrere Erben eingesetzt oder legt die Bezeichnung als Erbe aufgrund sonstiger Umstände den Schluss nahe, dass sie nicht im rechtlich zutreffenden Sinne verwendet worden ist und wurden lediglich Verfügungen über einzelne Nachlassbestandteile getroffen, die aber den gesamten Nachlass erschöpfen, ist nach ganz allgemeiner und zutreffender Ansicht davon auszugehen, dass diese Verfügungen auch eine Erbeinsetzung enthalten, weil nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keinen Erben berufen wollte.[5]

[5] OLG München, Beschluss v. 9.8.2016, 1 Wx 286/15.

1.6.3 Teilungsanordnung

Das Vermächtnis, insbesondere das Vorausvermächtnis ist gegenüber einer Teilungsanordnung[1] abzugrenzen. Mit Hilfe einer Teilungsanordnung will der Erblasser bestimmen, welcher Erbe welche Nachlassgegenstände erhalten soll. Dabei soll sich die Höhe der Erbteile aber nicht verändern. Erhält jemand bei einer Teilungsanordnung mehr als ihm zusteht, ist er gegenüber den anderen Erben ausgleichspflichtig. Dies ist der Unterschied zum Vorausvermächtnis. Bei diesem findet kein Ausgleich statt. Der begünstigte Erbe (Vorausvermächtnisnehmer) muss sich die im Wege des Vorausvermächtnisses vermachten Gegenstände nicht auf seinen Erbteil anrechnen lassen.

 
Praxis-Beispiel

Vorausvermächtnis

Erblasser E hat in seinem Testament festgelegt, dass Tochter T und Sohn S seine Erben sein sollen. Die Erbquote soll je ½ betragen. Der Nachlass umfasst Bargeld i. H. v. 800.000 EUR und ein Grundstück mit einem Verkehrswert i. H. v. 400.000 EUR. E hat bestimmt, dass seine Tochter T das Grundstück erhalten soll, ohne dass sie einen Wertausgleich vorzunehmen hat.

Hinsichtlich des Grundstücks liegt ein Vorausvermächtnis an die Tochter T vor. Dieses ist ihr vorab zuzurechnen. Die gesamte Verteilung sieht wie folgt aus.

 
Gesamtnachlass  
(Bargeld 800.000 EUR + Grundstück 400.000 EUR) 1.200.000 EUR
abzüglich Vorausvermächtnis an T ./. 400.000 EUR
verbleibender Nachlass 800.000 EUR

Dieser teilt sich auf die Erben zu je ½, d. h. T und S bekommen jeweils einen Erbteil i. H. v. 400.000 EUR.

 
  Sohn S Tochter T
Vorausvermächtnis   400.000 EUR
Erbteil 400.000 EUR 400.000 EUR
Gesamt 400.000 EUR 800.000 EUR

1.6.4 Auflage

Bei einem Vermächtnis hat der Begünstigte die Möglichkeit, seinen Anspruch gegen den Beschwerten auf dem Klageweg durchzusetzen. Im Fall einer Auflage hat der durch die Auflage Begünstigte keinen einklagbaren Anspruch.[1]

[1] Vgl. Lange in Erbrecht, 2017, § 21 ErbStG Rz. 112.

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