Als vom Erblasser zugewendet gilt auch, was als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen (und noch nicht geltend gemachten) Pflichtteilsanspruch gewährt wird (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG). Hiernach tritt die Abfindung an die Stelle des Pflichtteilsanspruchs. Aus diesem Grund wird die Abfindung wie ein Erwerb angesehen, der aus dem Vermögen des Erblassers stammt.

Erhält der Pflichtteilsberechtigte als Abfindung einen Nachlassgegenstand, so geht in die Bemessungsgrundlage der Wert dieses Gegenstands und nicht der Nennwert des Pflichtteilsanspruchs ein. Dies ist immer dann vorteilhaft, wenn der Abfindungsgegenstand einen geringeren Steuerwert besitzt, wie das z. B. bei einem Grundstück der Fall sein kann. Denn grundsätzlich ist dieses mit dem gemeinen Wert anzusetzen, der durch das in § 176 ff BewG enthaltene typisierte Verfahren zu ermitteln ist. Hierdurch kann es naturgemäß dazu kommen, dass der steuerliche Wert unter dem gemeinen Wert liegt.

 
Praxis-Beispiel

Abfindung für den Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch

Der verwitwete Erblasser E hat seine Nichte N zur Alleinerbin bestimmt und damit Sohn S enterbt. Der Pflichtteilsanspruch für S beläuft sich auf 450.000 EUR. Die Erbschaft enthält unter anderem ein nicht zu fremden Wohnzwecken vermietetes Grundstück mit einem gemeinen Wert i. H. v. 450.000 EUR und einem Steuerwert i. H. v. 420.000 EUR. Nach dem Tod von E am 15.2.2023 verzichtet S gegenüber N auf den Pflichtteilsanspruch und erhält von dieser dafür als Abfindung das Grundstück.

Für die Besteuerung des S ist nicht der Pflichtteilsanspruch selbst maßgebend, sondern die Abfindung in Form des Grundstücks (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG). In die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage fließt somit nur der (niedrigere) Steuerwert i. H. v. 420.000 EUR.

Es ergibt sich die folgende Steuerberechnung für S:

 
Abfindung (Grundstück) 420.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 20.000 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 7 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 1.400 EUR

Sohn S hat somit eine Erbschaftsteuer i. H. v. 1.400 EUR an das Finanzamt zu zahlen.

Die N kann demgegenüber die Abfindungszahlung von ihrem Erwerb abziehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG).

Das gleiche Ergebnis lässt sich erreichen, wenn der Abfindungsgegenstand Eigentum des Erben ist und nicht aus dem Nachlass des Erblassers stammt.

 
Hinweis

Keine Grunderwerbsteuer

Es entsteht keine grunderwerbsteuerliche Belastung, wenn die Übertragung eines Grundstücks von Todes wegen oder bei Grundstücksübertragungen unter Lebenden im Sinne der Erbschafts- bzw. Schenkungsteuergesetzes erfolgt.[1]

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