7.1 Zusammenrechnung bei steuerfreien Erwerben

7.1.1 Allgemeines

Ob steuerpflichtige Erwerbe mit steuerfreien Erwerben zusammenzurechnen sind, ist von der Art der anzuwendenden Befreiungsvorschrift abhängig.

Die Erwerbe sind dabei in quantitative und qualitative steuerbefreite Erwerbe zu unterscheiden.

7.1.2 Qualitative steuerbefreite Erwerbe

Unter die qualitativen steuerbefreiten Erwerbe fallen:[1]

  1. Zuwendung eines Familienheims unter Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG);
  2. Erwerb eines Familienheims von Todeswegen unter Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG)
  3. Erwerb eines Familienheims von Todeswegen bei Kindern (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG)
  4. unter bestimmten Voraussetzungen die Schuldbefreiung gegenüber dem Erblasser (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG);
  5. Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten (§ 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG);
  6. Anfälle an den Bund, ein Land oder eine inländische Gemeinde (§ 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG);
  7. Steuerbefreiungen aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen.
  8. Gelegenheitsgeschenke nach § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG.

Liegt ein solch qualitativ steuerbefreiter Erwerb vor, ist keine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG durchzuführen.

 
Praxis-Beispiel

Steuerfreier Erwerb

Ehemann E schenkt seiner Ehefrau F in 2017 ein Familienheim i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Im Oktober 2023 wendet E der F einen Geldbetrag i. H. v. 450.000 EUR zu.

Lösung

In 2017 ergibt sich aufgrund der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG keine schenkungsteuerliche Belastung für F. Auch eine Zusammenrechnung unterbleibt in 2023. Da der Letzterwerb unterhalb des persönlichen Freibetrags von 500.000 EUR liegt, ergibt sich keine schenkungsteuerliche Belastung für F.

[1] S. auch Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, § 13a ErbStG, Rn. 5.

7.1.3 Quantitative steuerbefreite Erwerbe

Unter die quantitativen steuerbefreiten Erwerbe fallen:[1]

  1. Hausrat und andere bewegliche körperliche Gegenstände (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG);
  2. persönliche Freibeträge (§ 16 ErbStG);
  3. Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG). Dieser gilt auch für eingetragene Lebenspartner.

Ist eine quantitative Befreiungsvorschrift gegeben, muss eine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG vorgenommen werden.[2]

 
Praxis-Beispiel

Zusammenrechnung der Erwerbe – Ansatz des persönlichen Freibetrags

Mutter M hat ihrem Sohn S im Kalenderjahr 2016 ein nicht zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück geschenkt. Der gemeine Wert dafür beträgt 385.000 EUR. Im Oktober 2023 wendet sie ihrem Sohn einen Geldbetrag i. H. v. 160.000 EUR zu.

Lösung

Erste Schenkung in 2016

 
Grundstück (Steuerwert) 385.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ./. 400.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 0 EUR
Schenkungsteuer 0 EUR
   

Für die erste Schenkung ergibt sich aufgrund des persönlichen Freibetrags i. H. v. 400.000 EUR kein steuerpflichtiger Erwerb.

Die tatsächlich zu entrichtende Steuer (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG) und auch die fiktive Steuer (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) betragen demnach 0 EUR.

Zweite Schenkung in 2023
Geldbetrag aus 2023 160.000 EUR
Grundstücksschenkung aus 2016 (gemeiner Wert) 385.000 EUR
Gesamterwerb 545.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ./. 400.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 145.000 EUR
Schenkungsteuer (Steuersatz 11 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 15.950 EUR
abzüglich fiktive bzw. tatsächlich zu entrichtende Steuer ./. 0 EUR
(siehe oben)  
festzusetzende Steuer 15.950 EUR
[1] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, § 14 ErbStG, Rn. 5.
[2] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, § 14 ErbStG, Rn. 5.

7.1.4 Verschonungsmaßnahmen für Betriebsvermögen

a.) Rechtslage bis zum 30.6.2016

Wird Betriebsvermögen übertragen, kommt ein Verschonungsabschlag von 85 % bei Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 % (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG und R E 13b.8 ErbStR 2011) zu Abzug. Auf Antrag ist – bei einem Verwaltungsvermögen von nicht mehr als 10 % – sogar ein Verschonungsabschlag von 100 % (§ 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG) möglich. Beim 85 %igen Verschonungsabschlag wird noch ein gleitender Abzugsbetrag i. H. v. 150.000 EUR berücksichtigt. Aufgrund der Befreiung durch § 13a ErbStG wird begünstigtes Vermögen nur in Höhe des die Befreiung übersteigenden Betrags in die Zusammenrechnung einbezogen (R E 14.2 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2011).

Wie die Verschonungsmaßnahmen des § 13a ErbStG bei der Zusammenrechnungsvorschrift des § 14 ErbStG zu berücksichtigen sind, verdeutlicht die Finanzverwaltung in R E 14.2 ErbStR 2011. Gleiches gilt für die Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG.

 
Praxis-Beispiel

Regelverschonung für Betriebsvermögen

Großvater GV hat seinem Enkel EN in 2011 ein Einzelunternehmen übertragen, welches ein Verwaltungsvermögen von 25 % und einen Ertragswert von 4.600.000 EUR aufweist. Im Dezember 2015 schenkt GV dem EN einen Geldbetrag i. H. v. 500.000 EUR.

Lösung

Erwerb in 2011

Bei EN wird der 85 %ige Verschonungsabschlag in Abzug gebracht. Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG kommt aufgrund der Höhe des übertragenen Vermögens nicht zur Anwendung.

Für EN ergibt sich damit folgende Besteuerung:

Das Betriebsvermögen ist unter Berücksichtigung des Verschonu...

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