Leitsatz

1. Ein Zwischenurteil nach § 99 Abs. 1 FGO (Grundurteil), mit dem (auch) über die Höhe des Anspruchs oder einzelne – die Höhe des Steueranspruchs beeinflussende – Besteuerungsgrundlagen entschieden wird, ist unzulässig. Liegen die Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 FGO vor, kann ein unzulässiges Grundurteil aber in ein zulässiges Zwischenurteil umgedeutet werden.

2. Wird während des Klageverfahrens gegen einen Steuerbescheid eine strafbefreiende Erklärung abgegeben, kann in diesem Verfahren darüber entschieden werden, ob durch die Erklärung Straf- und Bußgeldfreiheit eingetreten ist. Das Verfahren gegen die Aufhebung der durch die strafbefreiende Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist nicht vorgreiflich.

3. Hat das FA vom Steuerpflichtigen bezifferte Bürgschaftsprovisionen als gewerbliche Einkünfte beurteilt und in einem GewSt-(Mess-)Bescheid berücksichtigt, kann durch eine strafbefreiende Erklärung keine Straf- und Bußgeldfreiheit mehr eintreten.

4. Ist zweifelhaft, ob an GewSt-pflichtigen Einkünften mehrere Personen beteiligt bzw. ob sie mehreren Personen zuzurechnen sind, ist das Verfahren gegen den GewSt-(Mess-)Bescheid nicht bis zum Abschluss des Verfahrens der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 179 Abs. 2 S. 2 AO auszusetzen.

5. Verpflichten sich die Gesellschafter einer KG, die geschlossene Immobilienfonds initiiert, gegenüber der jeweiligen Fondsgesellschaft, an der sie als Gründungsgesellschafter beteiligt sind, gegen Entgelt für die Bauzwischenfinanzierung zu bürgen, wird der einzelne Gesellschafter jedenfalls nicht als Einzelunternehmer gewerblich tätig.

 

Normenkette

§ 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 378 AO, § 74, § 99 FGO, § 5 GewStG,  § 1 Abs. 1 S. 1, § 6, § 7 S. 1 Nr. 3, § 8, § 10 Abs. 3  StraBEG

 

Sachverhalt

Der Kläger und drei andere Herren waren Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, die zahlreiche geschlossene Immobilienfonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. OHG initiierte. Die vier Herren waren jeweils auch als Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer an den Fonds beteiligt, für die sie sich gegenüber Banken verbürgten. In ihren Bürgschaftsverpflichtungsverträgen mit den Objektgesellschaften wurden sie in ihrer Gesamtheit als ein Bürge bezeichnet. Die in einer Summe vereinbarte Avalprovision wurde von ihnen intern nach einem festen Schlüssel aufgeteilt, der den früheren Beteiligungsverhältnissen an der GmbH & Co. KG entsprach. Den Banken gegenüber waren die Bürgschaften für jeden der vier Partner auf unterschiedliche Höchstbeträge beschränkt.

Nach einer Betriebsprüfung wurden die Avalprovisionen nicht mehr in die GewSt-Mess-Bescheide der einzelnen Objektgesellschaften einbezogen, sondern in gegen die einzelnen Initiatoren gerichtete Bescheide. Das FG hat dies mit der Begründung gebilligt, dass sich der Kläger selbst durch die Bürgschaftsübernahme als Einzelunternehmer am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt habe. Die Haftung aller vier Bürgen als Gesamtschuldner rechtfertige nicht die Annahme einer Mitunternehmerschaft.

 

Entscheidung

Der BFH hat dem widersprochen und das Zwischenurteil des FG aufgehoben. Der Kläger hat nicht als Einzelunternehmer gebürgt, sondern in partnerschaftlicher Verbundenheit mit den drei anderen Initiatoren. Offen geblieben ist, ob der Kläger als Gesellschafter der Objektgesellschaften (Fonds)  – was zutreffen dürfte –, als Gesellschafter einer "Bürgschaftsgesellschaft" oder der GmbH & Co. KG gehandelt hat.

 

Hinweis

1. Neben den aus den Leitsätzen 1 bis 4 ersichtlichen prozessualen Fragen zur Zulässigkeit eines Zwischenurteils, den Wirkungen einer strafbefreienden Erklärung und der Aussetzung des Verfahrens ging es materiell darum, ob Bürgschaftsentgelte in Millionenhöhe unmittelbar vom Kläger sowie seinen Partnern als Einzelunternehmern erzielt worden waren oder im Rahmen einer Mitunternehmerschaft.

2. Die steuerliche Zuordnung der Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaftern und Gesellschaften kann sich als schwierig erweisen (z.B. Sonderbetrieb oder Eigenbetrieb des Gesellschafters; mitunternehmerische Betriebsaufspaltung oder Sonderbetrieb?). Die Auswirkungen sind erheblich, wenn auf der einen Seite Verluste anfallen (insbesondere bei fehlender einkommensteuerlicher Ausgleichsfähigkeit), auf der anderen Seite aber Gewinne.

3. Das verfahrensrechtliche "Risiko" der Zuordnung trägt das FA, das die von einer gewerblichen Mitunternehmerschaft erzielten Einkünfte einheitlich und gesondert festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO) und den GewSt-Mess-Bescheid an die Personengesellschaft zu adressieren hat, die Tätigkeit des Einzelunternehmers dagegen in dessen ESt-Bescheid bzw. einer gesonderten Feststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO) und einem an ihn adressierten GewSt-Mess-Bescheid erfassen muss.

4. Verpflichtet sich eine Gruppe von Gesellschaftern gegenüber ihrer Gesellschaft, sich auf deren Verlangen Dritten gegenüber für ihre Verbindlichkeiten zu verbürgen, spricht dies dafür, dass di...

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