Leitsatz

Auch wenn für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keine gesonderte Aufzeichnungspflicht besteht, muss sich das Finanzamt nicht zwingend an die angegebenen Werte in der Steuererklärung halten. Insbesondere bei einer erheblichen Fahrleistung muss der Steuerpflichtige die Fahrten glaubhaft nachweisen. Ohne schlüssigen Nachweis darf das Finanzamt die Fahrten schätzen, urteilte das Saarländische FG.

 

Sachverhalt

Eine Fachschulrätin unterhielt im Jahr 2005 einen Hauptwohnsitz bei ihren Eltern. Die Entfernung von dort zu ihrer Arbeitsstätte betrug 155 km. Daneben unterhielt sie einen Nebenwohnsitz in einer anderen Stadt (Entfernung: 24 km). In der Jahresmitte gab sie beide Wohnsitze auf und bezog ein eigenes Haus (Entfernung ebenfalls: 155 km). Wenn es ihre Arbeit erforderte, übernachtete sie gelegentlich bei einem Bekannten (Entfernung 4 km); ihr Beruf setzte aber keine tägliche Präsenz an ihrer Arbeitsstätte voraus. In der Einkommensteuererklärung erklärte sie 228 Fahrten zwischen den Wohnungen und ihrer Arbeitsstätte. Aufgrund der erheblichen Entfernungen ergaben sich insgesamt 61.510 Fahrtkilometer. Das Finanzamt erkannte im Schätzungswege nur Fahrten von 26.404 Kilometer an. In ihrem Klageantrag machte die Fachstudienrätin schließlich nur noch Fahrten von 36.162 Kilometer geltend. Sie legte Arbeitszeitblätter, Kontoauszüge, Einkaufsbelege und TÜV-Berichte vor und argumentierte, dass sie ihre Arbeitsstätte auch über die verpflichtenden Präsenztage hinaus aufgesucht habe.

 

Entscheidung

Das Finanzamt hat die Entfernungspauschale zu Recht gekürzt und durfte den streitigen Aufwand im Schätzungswege ermitteln. Zwar besteht für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keine gesetzliche Aufzeichnungspflicht, gleichwohl sollte der Steuerpflichtige im Eigeninteresse einen Nachweis über die Fahrten führen - insbesondere bei außergewöhnlich hohen Kosten. Nur durch die Vorlage verwertbarer Unterlagen kann er einer Schätzung entgehen.

Im Urteilsfall existierten keine Aufzeichnungen über die Tage und die Durchführung der jeweiligen Fahrten. Die Fachschulrätin hatte keine entsprechende Beweisvorsorge getroffen, obwohl diese geboten gewesen wäre.

Die eingereichten Arbeitszeitblätter sind zum Nachweis der Fahrten ebenso ungeeignet wie die Vorlage von Kontoauszügen, Einkaufsbelegen und TÜV-Berichten. Das FG hält es zudem für wahrscheinlich, dass die 30jährige Fachstudienrätin nicht wie erklärt an jedem Wochenende ihr entfernt liegendes Elternhaus aufgesucht hat, sondern allenfalls jedes zweite Wochenende. Selbst bei wohlwollender Betrachtung kam das FG nur zu einer Gesamtfahrleistung von 16.790 Kilometern. Mangels Verböserungsmöglichkeit verblieb es bei den großzügigeren Wertansätzen des Finanzamts (26.404 Kilometer).

 

Hinweis

Die Schätzung der Fahrten rechtfertigte sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beruf keine tägliche Präsenz erforderte, die erklärten Fahrleistungen im Laufe des Verfahrens voneinander abwichen und die Höhe der Werbungskosten im Urteilfall entscheidenden Einfluss auf den Eigenheimzulageanspruch hatte (Einkunftsgrenze des § 5 EigZulG).

Rechtliche Einordnung:§ 9 Abs. 1 Nr. 4 S. 6 EStG regelt, dass Arbeitnehmer mit mehreren Wohnungen auch die Fahrten von der weiter entfernten Wohnung zur Arbeitsstätte ansetzen können, wenn diese Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.

 

Link zur Entscheidung

FG des Saarlandes, Urteil vom 17.02.2011, 1 K 1468/08

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