Leitsatz

1. Wird nach Einziehung der gepfändeten Forderung mit der Fortsetzungsfeststellungsklage geltend gemacht, die Vollstreckungsbehörde habe den Geldbetrag unter Verstoß gegen ein gesetzliches Vollstreckungsverbot erlangt, so reicht die substantiierte Darlegung der Tatsachen, aus denen sich dieser Verstoß ergibt, verbunden mit der berechtigten Erwartung, die Vollstreckungsbehörde werde nach entsprechender Feststellung der Rechtswidrigkeit die Folgen der durch die Vollstreckungsmaßnahme bewirkten Vermögensverschiebung rückgängig machen, für die Annahme des erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses aus.

2. Die Erwartung der Folgenbeseitigung ist berechtigt, wenn die Finanzbehörde den Gegenstand oder Geldbetrag unter Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot erlangt hat, denn in diesem Fall stellt die der Vollstreckung zugrunde liegende Steuerfestsetzung oder Steueranmeldung keinen Behaltensgrund dar.

3. Bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist im massearmen Konkurs nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit jedwede Einzelzwangsvollstreckung eines Massegläubigers in die Masse unzulässig, wobei es nach bisherigem Konkursrecht – im Gegensatz zu dem ab 1.1.1999 geltenden neuen Insolvenzrecht – nicht darauf ankommt, ob die Masseverbindlichkeit vor oder nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit entstanden ist.

 

Normenkette

§ 37 Abs. 2 AO , § 218 Abs. 2 Satz 2 AO , § 251 Abs. 2 Satz 1 AO (a.F.) , § 314 AO , § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO , § 116 FGO , § 142 Abs. 1 FGO , § 209 Abs. 1 InsO , § 210 InsO , § 55 KO , § 57 KO , § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO , § 60 KO

 

Sachverhalt

Es handelt sich um einen Streitfall im massearmen Konkursverfahren, das noch nach der inzwischen außer Kraft getretenen KO zu beurteilen war.

Nach Anzeige der Massearmut nahm das FA wegen Umsatzsteuerrückständen aus der Verwertung von Sicherungsgut durch verschiedene Sicherungsnehmer sowie durch den Konkursverwalter selbst Ansprüche aus dem bei einer Bank geführten Konkursanderkonto mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Beschlag. Es vertrat die Auffassung, durch die Verwertung seien Umsatzsteuerverbindlichkeiten begründet worden, die nicht dem Verteilerschlüssel des § 60 der Konkursordnung (KO) unterlägen (sog. Neumasseschulden), sondern in voller Höhe vorweg zu befriedigen seien. Bevor über den Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung entschieden wurde, zahlte die Bank als Drittschuldnerin den gepfändeten Betrag an das FA aus. Daraufhin erhob der Konkursverwalter Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung.

 

Entscheidung

Der BFH hielt die Klage für zulässig und begründet. Die Vollstreckung sei nämlich unzulässig gewesen und ihr Ergebnis rückgängig zu machen, wobei damit gerechnet werden könne, dass das FA dies aufgrund eines Feststellungsurteils von sich aus tun werde. Die jetzige Regelung der InsO (s.o.) entfalte als konstitutive gesetzliche Regelung keine Rückwirkung für die Anwendung der KO.

 

Hinweis

1. Tritt die Erledigung eines Verwaltungsakts bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage ein, kann mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts begehrt werden.

Die Zulässigkeit dieser Klage setzt aber u.a. voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse kann angenommen werden, wenn die Feststellungsklage zum Zweck der Beseitigung von Folgen einer aufgehobenen Pfändungsverfügung erhoben wird (vgl. BFH/NV 1987, 780). Aus einer Rechtswidrigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme kann allerdings nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass die Vollstreckungsbehörde die erlangten Beträge zu erstatten oder zurückzuzahlen habe. Denn nach § 37 Abs. 2 AO trifft die Finanzbehörde nur eine Verpflichtung, Beträge zu erstatten, die ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind.

2. Hat sich eine Pfändungsverfügung indes dadurch erledigt, dass der Drittschuldner an den Pfändungsgläubiger gezahlt hat, und wird geltend gemacht, dieser habe dadurch etwas unter Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot erlangt, so muss das Erlangte dem Vollstreckungsschuldner nach Auffassung des BFH herausgegeben werden, selbst wenn die vollstreckte Forderung besteht, also z.B. auf einem Steuerbescheid oder einer Steueranmeldung beruht und die an sich Behaltensgrund für das Erlangte ist. Denn anderenfalls würde das Vollstreckungsverbot keine Schutzwirkung für den Vollstreckungsschuldner entfalten.

3. Grundsätzlich sind Masseschulden aus der Konkursmasse vorweg zu befriedigen (§ 57 KO). Jeder Massegläubiger darf Forderungen an die Masse gegen den Konkursverwalter einklagen, in die Konkursmasse vollstrecken und gegen eigene Masseschulden aufrechnen. Für die Zeit nach Hervortreten der Masseunzulänglichkeit ("Konkurs im Konkurs") regelt aber § 60 KO eine geordnete Verteilung der Konkursmasse nach einer gesetzlich vorgegebenen Rangordnung der Masseschulden und Massekosten. In diese Verteilung darf nicht durch einzelne Ma...

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