Leitsatz

Bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge eines volljährigen Kindes sind die wöchentlichen Fahrten zur Abendschule nur mit der Entfernungspauschale anzusetzen. Das FG Münster entschied, dass die Schule eine regelmäßige Arbeitsstätte des Kindes darstellt.

 

Sachverhalt

Der 20jährige Sohn strebte im Jahr 2009 parallel zu seiner Ausbildung den Erwerb der Fachhochschulreife an und besuchte dafür an rund 12 Stunden pro Woche eine Abendschule. Der Unterricht verteilte sich zunächst auf zwei, später auf drei Abende pro Woche. Aus seinem Ausbildungsdienstverhältnis bezog der Sohn im Jahr 2009 eine Ausbildungsvergütung von 12.780,47 EUR. Beiträge zur Sozialversicherung fielen in Höhe von 2.603,93 EUR an. Fraglich war, ob für den Sohn ein Kindergeldanspruch besteht. Die Familienkasse war der Ansicht, dass die Einkünfte und Bezüge des Sohnes den Grenzbetrag von 7.680 EUR überschritten und lehnte den Antrag auf Festsetzung von Kindergeld ab. Der Vater hielt dagegen, dass der Arbeitslohn - neben den Sozialversicherungsbeiträgen - noch um Werbungskosten von mehr als 2.500 EUR gemindert werden müsse und der Grenzbetrag deshalb unterschritten sei. Unter anderem beantragte er für die Fahrten zur Abendschule einen Kostenabzug von 0,30 EUR pro Fahrtkilometer. Er machte zudem Fahrtkosten seines Sohnes zu einer 88 km entfernten privaten Lerngemeinschaft geltend und wollte Beiträge für einen Riestervertrag, eine fondsgebundene Rentenversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung mindernd berücksichtigt wissen.

 

Entscheidung

Der Vater hat keinen Kindergeldanspruch, da die Einkünfte und Bezüge seines Sohnes mehr als 7.680 EUR betragen haben. Das FG kürzte den Katalog der angeführten Werbungskosten und entschied, dass die Abendschule eine regelmäßige Arbeitsstätte des Sohnes darstellt. Entsprechend ist nur ein Abzug von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer und nicht pro tatsächlich gefahrenem Kilometer möglich. Für eine regelmäßige Arbeitsstätte sprach neben dem zeitlichen Umfang des Schulbesuchs auch die gewichtige Bedeutung des dort absolvierten Präsenzunterrichts. Die umfangreiche Vor- und Nachbereitung des Lernstoffs in Eigenregie änderte an dieser Einschätzung nichts. Die Fahrten zur Lerngemeinschaft erkannte das FG wegen unsubstantiierter Angaben über den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf der Treffen nicht als Werbungskosten an. Unberücksichtigt blieben auch die Aufwendungen für die Riesterrente, die fondsgebundene Rentenversicherung und die Berufsunfähigkeitsversicherung.

 

Hinweis

Nach Ansicht des FG entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass im Rahmen privater Lerngemeinschaften auch private Interessen der Teilnehmer von nicht nur untergeordneter Bedeutung sind. Ein Werbungkostenabzug ist aber möglich, wenn der Steuerpflichtige eine nahezu ausschließlich berufliche Veranlassung der Treffen glaubhaft machen kann. Dies gelingt ihm durch Vorlage detaillierter Aufzeichnungen über den inhaltlichen und zeitlichen Ablauf der Treffen. Im Urteilsfall vermisste das FG solche schlüssigen Angaben.

Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 soll die Einkünfte- und Bezügegrenze für volljährige Kinder abgeschafft werden. Durch den Verzicht auf die Einkommensprüfung will der Gesetzgeber das Besteuerungsverfahren vereinfachen. Wird dieser Plan umgesetzt, gehören Streitigkeiten wie im Urteilsfall der Vergangenheit an.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 11.03.2011, 14 K 4171/09 Kg

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