Leitsatz

1. Leistet der Steuerpflichtige nach der Scheidung eine Zahlung, mit der er seine infolge des Versorgungsausgleichs geminderte Rentenanwartschaft wiederauffüllt, um den Zufluss seiner Alterseinkünfte in ungeschmälerter Höhe zu sichern, so handelt es sich ihrer Rechtsnatur nach um vorweggenommene Werbungskosten.

2. Die Wiederauffüllungszahlung kann jedoch nur als Sonderausgabe abgezogen werden, wenn sie als Beitrag i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG anzusehen ist.

3. Unabhängig von der Verwendung des Beitragsbegriffs im Recht des jeweiligen Versorgungssystems ist bei der Frage, ob eine Zahlung in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG fällt, stets die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung entscheidend.

4. Im Hinblick auf (spätere) Leibrenten und andere Leistungen, die von einer Einrichtung der Basisversorgung erbracht werden, unterscheidet das EStG ausschließlich zwischen der Ebene der Beiträge (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und der Ebene der Leistungen (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Daher stellt jede im jeweiligen Versorgungssystem vorgesehene Geldleistung des Steuerpflichtigen, die an eine in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG genannte Einrichtung für Zwecke der Basisversorgung erbracht wird, einen Beitrag im Sinne dieser Vorschrift dar.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, § 68 Satz 1, § 121 Satz 1, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO, § 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI

 

Sachverhalt

Der Kläger ist als Rechtsanwalt Mitglied eines Versorgungswerks. Im Rahmen seiner Scheidung übertrug das Familiengericht seiner Ehefrau von seinen erworbenen Rentenanwartschaften im Wege der internen Teilung ein Anrecht nach Maßgabe der Satzung des Versorgungswerks. Zur Vermeidung der Kürzungen seiner eigenen Anwartschaften leistete der Kläger eine Wiederauffüllungszahlung i.H.v. 75.000 EUR, die er als Werbungskosten bei seinen Einkünften geltend machte. Demgegenüber sah das FA diese Zahlung als Beitrag zur Altersvorsorge an. Da der Höchstbetrag des § 10 Abs. 3 EStG bereits durch laufende Altersvorsorgeaufwendungen in Anspruch genommen wurde, konnten nur 5.000 EUR bei den Sonderausgaben berücksichtigt werden. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.2.2019, 9 K 376/18, Haufe-Index 13702162, EFG 2019, 1304).

 

Entscheidung

Die Revision hatte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.

 

Hinweis

Dieses Urteil ist für die Steuerpflichtigen wichtig, bei denen zu erwarten ist, dass sie im Rahmen einer Scheidung ihrem Ehepartner Versorgungsanwartschaften übertragen müssen, und die zur Vermeidung von reduzierten Alterseinkünften Wiederauffüllungsleistungen zahlen wollen. Das Ergebnis der BFH-Entscheidung erscheint hart, es ist aber konsequent und systemgerecht.

1. Zahlungen, die der Sicherung des künftigen Zuflusses (eigener) steuerpflichtiger Einkünfte in ungeschmälerter Höhe dienen, stellen ihrer Rechtsnatur nach Erwerbsaufwendungen und damit vorweggenommene Werbungskosten dar. Dies gilt ebenso, wenn im Falle eines Versorgungsausgleichs Zahlungen geleistet werden, durch die eine ansonsten eintretende Kürzung steuerpflichtiger Einkünfte des Versorgungsverpflichteten vermieden werden soll. An dieser Wertung ändert auch die spezialgesetzliche Zuweisung der Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nichts.

2. Als Beiträge für eine Basisversorgung fallen die Auffüllungszahlungen allerdings in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, sodass sie nur im Rahmen des in § 10 Abs. 3 EStG für das Streitjahr bestimmten Höchstbetrags steuerlich berücksichtigt werden können.

3. Für die Einordnung einer Geldleistung als Beitrag i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist nicht die formale Bezeichnung im Recht des jeweiligen Versorgungssystems, sondern die steuerrechtliche Qualifizierung entscheidend. Bloße Formulierungen in der Satzung eines Versorgungswerks können nicht darüber entscheiden, ob es sich bei einer Wiederauffüllungszahlung an eine Einrichtung der Basisversorgung um einen dem Sonderausgabenabzug unterliegenden Beitrag oder um Werbungskosten handelt.

4. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das EStG ausschließlich zwischen der Ebene der Beiträge (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und der Ebene der Leistungen (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) unterscheidet. Hiernach stellt jede im jeweiligen Versorgungssystem vorgesehene Geldleistung des Steuerpflichtigen, die an eine in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG genannte Einrichtung für Zwecke der Basisversorgung erbracht wird, einen Beitrag i.S. dieser Vorschrift dar.

5. Von den Auffüllungszahlungen zu unterscheiden sind Abfindungszahlungen, die ein Ausgleichsverpflichteter an den Ausgleichsberechtigten leistet, um einen Versorgungsausgleich zu vermeiden. Da der Ausgleichsberechtigte kein Beitragsempfänger i.S.d. § 10 Abs...

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