Leitsatz

Die Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen ist auch dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt, die dem Lohnsteuerabzug unterliegen.

 

Normenkette

§ 37 EStG , §§ 38 ff. EStG

 

Sachverhalt

Die verheiratete Klägerin bezog im Jahr 1995 (neben Einnahmen aus Kapitalvermögen von weniger als 6.000 DM) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Auf ihrer LSt-Karte war die Steuerklasse III bescheinigt. Antragsgemäß wurde die Klägerin – wie in den Jahren zuvor – getrennt zur ESt veranlagt. Es ergab sich deshalb eine Nachzahlung von rd. 9.900 DM. Für 1993 hatte die Nachzahlung rd. 7.000 DM betragen, für 1994 rd. 7.50 0 DM.

Das FA setzte in einem Bescheid für die Zeit ab März 1997 vierteljährliche ESt-Vorauszahlungen fest. Hiergegen wandte sich die Klägerin. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Der Vorauszahlungsbescheid habe zwar durch den nachfolgenden Jahressteuerbescheid seine Wirkung verloren. Es bestehe jedoch im Streitfall ein berechtigtes Interesse daran, die Rechtswidrigkeit des erledigten Vorauszahlungsbescheids festzustellen. In der Sache habe die Klägerin jedoch keinen Erfolg. Vorauszahlungen seien auch dann zulässig, wenn nur Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vorlägen.

 

Hinweis

1. Die Besprechungsentscheidung betrifft das Verhältnis der Vorschriften über die ESt-Vorauszahlungen (§ 37 EStG) und den Steuerabzug vom Arbeitslohn (§ 38 ff. EStG). Sie bejaht (im Einklang mit der Verwaltungspraxis) die bisher umstrittene Frage, ob bei Arbeitnehmern ESt-Vorauszahlungen festgesetzt werden können, wenn nur dem LSt-Abzug unterliegende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vorhanden sind. Anlass für die Festsetzung der ESt-Vorauszahlungen war im Streitfall, dass die Ausübung des Veranlagungswahlrechts durch die verheiratete Klägerin (getrennte Veranlagung) mit der Steuerklassenwahl (LSt-Klasse III) nicht korrespondierte.

2. Nach § 37 Abs. 1 und 3 EStG hat ein Steuerpflichtiger auf die von ihm geschuldete ESt vierteljährliche Vorauszahlungen zu entrichten, die das FA durch Vorauszahlungsbescheid festsetzt. Hierbei handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, d.h. dem FA steht insoweit kein Ermessensspielraum zu. Die Festsetzung von Vorauszahlungen (ebenso wie der LSt-Abzug) dient der Sicherung eines stetigen Steueraufkommens, wobei die Beträge der voraussichtlichen Jahreseinkommensteuer möglichst angenähert sein sollen.

Die Vorauszahlungen bemessen sich nach der ESt, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Dabei kommt es auf die Art der Einkünfte ausdrücklich nicht an. Es ist deshalb unerheblich, ob die Steuer auf Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit beruht, die dem LSt-Abzug unterliegen. Das Gesetz geht auch für diesen Fall ausdrücklich von der Vorauszahlungspflicht aus, indem es bestimmt, dass die Vorauszahlungen sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer bemessen, die sich "nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge" bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Unter den Begriff der "Steuerabzugsbeträge" fallen naturgemäß auch LSt-Abzugsbeträge.

3. Der BFH betont ferner, dass die Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn (§§ 38 ff. EStG) die Anwendung des § 37 EStG nicht verdrängen. Die §§ 38 ff. EStG sind insoweit keine Spezialnormen. Im Übrigen handelt es sich bei den LSt-Abzugsbeträgen – der Sache nach – (auch) um Vorauszahlungen auf die später festzusetzende ESt des Arbeitnehmers. Das Gesetz s tellt zudem nicht darauf ab, worauf die Vorauszahlungen im Einzelfall zurückzuführen sind (z.B. auf die Steuerklassenwahl oder die Eintragung zu hoher Freibeträge auf der LSt-Karte).

4. Hinzuweisen ist noch darauf, dass mit der Befugnis, ESt-Vorauszahlungen (neben dem LSt-Abzug) festzusetzen, weder gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen noch das den Eheleuten zustehende Wahlrecht hinsichtlich der LSt-Klasse eingeschränkt wird. Das letztgenannte Antragsrecht bezweckt insbesondere nicht, dem Arbeitnehmer einen zinslosen Steueraufschub zu verschaffen.

5. Das Urteil enthält ferner eingehende Ausführungen a) zur Frage der Erledigung eines Vorauszahlungsbescheids nach Erlass des Jahressteuerbescheids und b) zum Rechtsschutzinteresse bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.12.2004, VI R 182/97

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