Leitsatz

Die Einkommensteuer für das Todesjahr des Erblassers kann nicht als Nachlassverbindlichkeit in der Erbschaftsteuererklärung abgezogen werden, da sie zum maßgeblichen Stichtag noch nicht entstanden ist.

 

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall begehrte ein Alleinerbe in seiner Erbschaftsteuererklärung, die Einkommensteuer des Erblassers - einem Landwirt - als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Er vertrat die Ansicht, dass die Einkommensteuer des Erblassers im Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne. Zwar würde die Einkommensteuer grundsätzlich nach Ablauf des Kalenderjahrs entstehen. Bestünde aber die persönliche Steuerpflicht nur während eines Teils des Kalenderjahrs - der Erblasser war im Monat Oktober verstorben - so verkürze sich der Veranlagungszeitraum und ende mit dem Tod des Steuerpflichtigen. Er leitete diese Annahme aus § 45 AO ab, der den Übergang der in der Person des Verstorbenen verwirklichten Steuertatbestände auf den Gesamtrechtsnachfolger regelt.

 

Entscheidung

Vor dem Finanzgericht hatte der Kläger keinen Erfolg. Die Richter urteilten, dass die streitige Einkommensteuer beim Erben nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann, weil sie zum maßgeblichen Stichtag noch nicht entstanden sei. Gem. § 36 Abs. 1 EStG entstehe sie mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Der Veranlagungszeitraum könne auch nicht abgekürzt werden und entspreche stets dem Kalenderjahr. Der Begriff des Veranlagungszeitraums müsse vom einkommensteuerlichen Einkünfteermittlungszeitraum abgegrenzt werden: Zwar ende die persönliche Steuerpflicht mit dem Tode, sodass die Einkünfte nur für den Zeitraum bis zum Ableben des Steuerpflichtigen zu ermitteln seien. Veranlagungszeitraum sei demgegenüber auch im Falle des Todes das gesamte Kalenderjahr [1].

Entstehe aber wie vorliegend die Einkommensteuer erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, so kann sie nach dem für die Erbschaftsteuer maßgeblichen Stichtagsprinzip (§§ 9, 11 ErbStG) nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, weil sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht entstanden war. Aus der Regelung des § 45 AO könne nichts anderes abgeleitet werden, so die Richter. § 45 AO stelle lediglich klar, dass der Gesamtrechtsnachfolger steuerrechtlich in das Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Erblasser und Finanzbehörde nachfolgt und deshalb durch Steuerbescheid für noch vom Erblasser verwirklichte Besteuerungstatbestände in Anspruch genommen werden kann. Ob eine Steuerschuld bereits im Zeitpunkt des Todes entstanden ist, ergebe sich jedoch nicht aus § 45 Abs. 1 AO, sondern aus Einzelsteuergesetzen. Das Finanzgericht ließ vorliegend die Revision zu, weil die Rechtsfrage in der Literatur kontrovers diskutiert wird und noch keine BFH-Entscheidung zu einem Fall mit vergleichbarem Sachverhalt vorliege.

 

Hinweis

Weiterführend mit der Thematik befassen sich 3 BFH-Urteile. [2].

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 06.07.2011, 3 K 220/10

[1] BFH, Urteil v. 17.5.1972, I R 126/70, BStBl 1972 II S. 621
[2] BFH, Urteil v. 14.11.2008, II R 3/06, BFH/NV 2008 S. 574 (Der Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten setze deren rechtlichen Bestand im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer voraus). BFH, Urteil v. 16.1.2008, II R 30/06, BStBl 2008 II S. 624 (zum Ablauf des Veranlagungszeitraums). BFH, Urteil v. 17.2.2010 II R 23/09, BStBl. 2010 II S. 641 (zur Bedeutung des Stichtagsprinzips und Klarstellung, dass die auf den Einnahmen lastende Einkommensteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne)

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