6.1 Regelungsinhalt

Die Vorschrift des § 22 Abs. 7 UmwStG sieht eine Sonderregelung für das Überspringen stiller Reserven vor, die bereits früher in Tz. 21.14 UmwSt-Erlass 1998 sowie in Tz. 51 und 52 des BMF-Schreibens vom 28.4.2003[1] enthalten war und bei einer Sacheinlage gem. § 20 Abs. 1 UmwStG anzuwenden ist, die von der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu einem Wert unter dem gemeinen Wert (z. B. Buchwertfortführung) angesetzt wurde. Für den Fall, in dem stille Reserven auf Grund einer Gesellschaftsgründung oder Kapitalerhöhung von den erhaltenen oder eingebrachten Anteilen oder von auf diesen Anteilen beruhenden Anteilen auf andere Anteile verlagert werden, gelten die Anteile insoweit auch als erhaltene oder eingebrachte Anteile oder als auf diesen Anteilen beruhende Anteile i. S. des § 22 Abs. 1 oder 2 UmwStG. Es kommt dann zu einer Mitverstrickung von Anteilen.

6.2 Überquotale Einbringung von Unternehmen

Im Zuge der Einbringung nach § 20 UmwStG können – was in der Praxis oft unerkannt bleibt – sperrfristverhaftete Anteile nach § 22 Abs. 7 UmwStG auch derivativ entstehen, wenn und soweit im Rahmen der Einbringung stille Reserven von den sperrfristverhafteten Anteilen auf andere Anteile verlagert werden.[1]

 
Praxis-Beispiel

Überproportionale Einbringung

Die Y-GmbH wurde im Jahr 2010 von Y als Alleingesellschafterin mit einem Stammkapital von 50.000 EUR gegründet. Der Wert der Y-GmbH zum Ende des Jahres 2020 beträgt 100.000 EUR. Zum 31.12.2020 wird das Kapital der GmbH um 50.000 EUR erhöht gegen Einbringung des Einzelunternehmens des X zu Buchwerten gem. § 20 UmwStG (gemeiner Wert des eingebrachten Betriebsvermögens = 500.000 EUR).

Lösung:
Durch die überproportionale Einbringung des Unternehmens werden stille Reserven auf den Anteil von Y verlagert. Neben den Anteilen, die X für die Sacheinlage erhält, unterliegt daher gem. § 22 Abs. 7 UmwStG auch der Anteil von Y der Sperrfristverhaftung des § 22 Abs. 1 UmwStG, soweit stille Reserven auf ihn übergehen.

 
Gemeiner Wert des Altanteils nach Kapitalerhöhung 300.000 EUR
./. gemeiner Wert des Altanteils vor Kapitalerhöhung ./. 100.000 EUR
Werterhöhung durch Übergang stiller Reserven 200.000 EUR

Ergebnis: 2/3 des Werts des Anteils von Y (200.000 / 300.000) entfallen auf übergegangene stille Reserven. Der Anteil ist daher quotal zu 2/3 sperrfristverhaftet und zu 1/3 nicht sperrfristverhaftet. Zu beachten sind die Nachweispflichten gem. § 22 Abs. 3 UmwStG (nach Rdnr. 22.28 UmwSt-Erlass treffen die Nachweispflichten sowohl den Einbringenden X als auch Y) und die Ersatzrealisationstatbestände in § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG. Da der "Verhaftungsgrad" entscheidend von den Wertverhältnissen abhängt, sollten Unterlagen über die Wertfindung der Anteile aufbewahrt bzw. die Wertfindung dokumentiert werde.

Schenkungsteuer: Die durch die Einbringung des Einzelunternehmens des X bewirkte Werterhöhung des Anteils von Y unterliegt gem. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG der Schenkungsteuer. Bemessungsgrundlage ist die Werterhöhung des Anteils, die hier (annahmegemäß) 200.000 EUR beträgt. Eine Vergünstigung nach § 13a ErbStG kommt nach R E 7.5. Abs. 13 ErbStR nicht in Betracht.

[1] Ausführlich zu den Sperrfristen bei der Einbringung in Kapitalgesellschaften vgl. Ott, in FS Wolfgang Kessler, München 2021, S. 445, 459 ff.; zur Unterscheidung verschiedener Arten von sperrfristbehafteten Anteilen vgl. Ott, DStZ 2020, S. 561ff.

6.3 Unterquotale offene Einlage

Verlagern sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen eine unterquotale Einlage stille Reserven von den alten auf die neuen Anteile, so führt dies nach der Rechtsprechung des BFH zu einer Substanzabspaltung der alten Anteile. Als Folge kommt es zu einem Übergang von Anschaffungskosten der alten Anteile nach Maßgabe der Gesamtwertmethode auf die neuen Anteile.[1]

 
Praxis-Beispiel

Unterquotale Einlage

Die V-GmbH wurde 2017 mit einem Stammkapital von 50.000 EUR durch V bar gegründet. Der Verkehrswert der GmbH beträgt 400.000 EUR am 31.12.2020. Am 1.1.2021 wird das Stammkapital der V-GmbH um 50.000 EUR auf 100.000 EUR erhöht. Den neuen Geschäftsanteil übernimmt Sohn S gegen Bareinlage von 200.000 EUR.

 
Gemeiner Wert des V-Anteils vor der Kapitalerhöhung 400.000 EUR
./. gemeiner Wert des V-Anteils nach der Kapitalerhöhung ./. 300.000 EUR
Wert des Bezugsrechts für den neuen Anteil 100.000 EUR

Daher gehen von den Anschaffungskosten des V-Anteils (50.000 EUR) insgesamt 25 % (100.000 EUR/400.000 EUR) auf den S-Anteil über. Die Anschaffungskosten des V für seinen Anteil betragen daher nach der Kapitalerhöhung nur noch 37.500 EUR (50.000 EUR × 0,75). Die Anschaffungskosten des S für seinen Anteil belaufen sich auf 212.500 EUR (200.000 EUR + (50.000 EUR × 0,25)).

Schenkungsteuer: Durch die Übernahme eines Gesellschaftsanteils im Wert von 300.000 EUR für eine Einlage i. H. v. 200.000 EUR wird S auf Kosten des V bereichert, so dass eine Schenkung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i. H. v. 100.000 EUR vorliegt. Eine Begünstigung nach § 13a ErbStG kommt nicht in Betracht.

 
Praxis-Beispie...

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