2.1 Optimierungspotenziale erkennen

Instrument für Visulisierung und Kommunikation

Die Wertstrom-Methode ist ein zentrales Werkzeug von Lean Production und wird angewandt um die Abläufe bei der Wertschöpfung eines Unternehmens vollständig zu erfassen und visuell aufzubereiten. Die hierbei entstehenden Skizzen und Grafiken bilden die Grundlage für das Auffinden von Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten des Produktionsablaufs.[1] Es ist damit ein Kommunikationsinstrument, das im Unternehmen Transparenz schaffen soll und zur Optimierung der Abläufe eingesetzt wird. Ein wesentliches Merkmal dieser Methode ist es, nicht nur punktuell einzelne Fertigungsschritte, sondern stets den gesamten Fertigungsfluss vollständig zu betrachten und aufzuzeigen, wo durch betriebliche Aktivitäten der Wert des Endprodukts geschaffen wird, vom Rohmaterial bis zum Versand an den Kunden. Hierzu tragen wertschöpfende Tätigkeiten bei. Hingegen sind nicht-wertschöpfende Tätigkeiten zu minimieren und Verschwendung gänzlich zu vermeiden. Kernziel der Wertstromanalyse ist es entsprechend, Erkenntnisse zu gewinnen, wie sich in einer Fabrik ein Fluss mit einem hohen Grad an Wertschöpfung gestalten lässt. Mit Blick auf den optimalen Wertfluss gilt umgekehrt das Ziel, Schnittstellen, Durchlaufzeiten und Bestände zu reduzieren.

Bewertung der Fertigung und deren Wertstroms anhand ausgewählter Prozessgrößen

Die Wertstrom-Methode beginnt zunächst mit der Analyse des Ist-Zustands der Fertigung. Hierzu sind die einzelnen Prozessschritte zu benennen und diese hinsichtlich ausgewählter Prozessparameter zu quantifizieren. Typische Prozessgrößen sind dabei:

  • Zykluszeit (ZZ): Zeitspanne in Sekunden zwischen der Fertigstellung eines Teils und der Fertigstellung des nächsten Teils;
  • Rüstzeit (RZ);
  • Zahl der Mitarbeiter;
  • Verfügbare Arbeitszeit (netto, ohne Pausen);
  • Maschinenzuverlässigkeit;
  • Fehlerrate (Ausschuss, Nacharbeit);
  • EPEI (Erforderliche Zeit für die Fertigung aller Produktvarianten);
  • Zahl der Produktvarianten;
  • Behältergröße für Fertigteile;

Die Visualisierung der Prozesse erfolgt anhand von Symbolen. Die wichtigsten sind dabei:

  • Fabriksymbole,
  • Prozesskästen,
  • Datenkästen sowie
  • die einzelnen Prozesselemente verbindende Transferlinien (i. d. R. dicke Pfeile)

Mit deren Hilfe sind die Prozessschritte zu visualisieren und so der gesamte Unternehmensprozess grafisch abzubilden. Stillstände im Fertigungsfluss werden dabei mit einem Dreieck – in Analogie zu Warndreiecken im Straßenverkehr – unter Angabe der vorhandenen Bestandsmengen festgehalten.

Abb. 1: Beispiel eines Wertstrom-Diagramms (hier Istzustand eines fiktiven Unternehmens)

Pfeile visualisieren Fertigungsfluss nach Pull-Prinzip

Ergänzt wird die Grafik dabei durch dünne Pfeile, mithilfe derer die Informationsflüsse aufgezeigt werden. Informationsflüsse sind insofern für die Optimierung der Fertigungsabläufe enorm wichtig, da sie die einzelnen Prozessschritte – z. B. durch Bestellabrufe – erst auslösen. Bei Lean Production sollte dabei stets der Grundsatz beachtet werden, dass der Anstoß zur Durchführung eines Prozessschritts nicht vom vorgelagerten Hersteller, sondern stets vom nachgelagerten – externen oder betriebsinternen – Kunden erteilt wird. Produzierte Teile sollen nicht auf Basis einer Einplanung zum Abnehmer geschoben ("Push") werden, sondern besser je nach Verbrauch nachbezogen ("Push") werden. Damit kann vermieden werden, dass ein Prozess ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Bedarf des nachgeordneten Kundenprozesses etwas produziert, was zu Überproduktion und Beständen führen kann.[2] Somit gilt stets das "Pull-Prinzip"! Zur Kenntlichmachung von Prozessschritten, die nach dem "Push"-Prinzip erfolgen, werden Pfeile verwendet, die eine Schraffur aufweisen. Pfeile von "Pull"-Prozessen weisen hingegen eine einfarbige Fläche auf.

Zeitlinie gibt Durchlaufzeit mit Einzelelementen wieder

Abgeschlossen wird die Grafik mit der Zeichnung einer Zeitlinie unter den jeweiligen Prozesskästen und durch Bestandssymbole. Auf dieser Linie werden die entsprechenden Zeitbedarfe des Fertigungsprozesses aufgetragen. Sie sollen es ermöglichen Durchlaufzeiten zu visualisieren. Dabei ist optisch zwischen Bearbeitungs- und Übergangs-/Liegezeiten zu unterscheiden. Wie bereits erwähnt, sollten tendenziell kurze Durchlaufzeiten angestrebt werden, um so den Zeitraum der Refinanzierung der Rohmaterialien zu verkürzen (Senkung von Kapitalbindungskosten) und die Lagerumschlagshäufigkeit zu erhöhen.

[1] Vgl. Rother/Shook, 2007, Vorwort.
[2] Vgl. Rother/Shook, 2007, S. 25.

2.2 Prinzipien einer schlanken Produktion

Vermeidung von Überproduktion und Verschwendung

Die Ziele des Lean Managements werden durch das Kardinalziel der Vermeidung von Überproduktion geprägt. Gerade die traditionelle Ausrichtung der Massenproduktion auf eine hohe Maschinenauslastung führt oftmals dazu, dass nach einem fixen Plan produziert wird und man das Material dabei "pusht", ohne sich an den tatsächlichen Bedarfen des nachgelagerten Kundenprozesses zu orientieren. Diese Mehrproduktion muss unnötig bewegt, gezählt, gelagert wer...

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