3.6.1 Hintergrund und Situation

Die Signavio GmbH ist ein international agierendes Softwareunternehmen, das eine cloudbasierte Software für kollaboratives Prozess- und Entscheidungsma­nagement anbietet. Mehr als 1.000 Unternehmen weltweit nutzen die Komponenten der Business Transformation Suite, um ihre Prozesse und Entscheidungen zu verstehen, zu analysieren und zu optimieren.

Die ursprüngliche Idee, ein webbasiertes Prozessmodellierungswerkzeug zu entwickeln, entstand im Rahmen eines Forschungsprojektes am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Im Mai 2009 gründeten Dr. Gero Decker, Torben Schreiter, Nicolas Peters, Willi Tscheschner und Prof. Mathias Weske die Signavio GmbH und begannen mit der kommerziellen Entwicklung des Modellierungsproduktes.

Die zügige Weiterentwicklung sowie die Zusammenarbeit mit international agierenden Partnern, wie der AOK und SAP, erlaubte eine zügige Etablierung am Markt, was sich in einer positiven Entwicklung der Geschäftszahlen niederschlug. Entgegen typischer Start-Up-Zyklen konnte die Signavio GmbH in den ersten Jahren einen signifikanten Jahresüberschuss ausweisen. Das stetige Umsatzwachstum sowie die Erfolge in einschlägigen Wettbewerben (bspw. Deloitte's Fast 50 Ranking) weckten das Interesse internationaler Investoren. 2015 investierte der Private Equity Investor Summit Partners 31 Mio. Euro und beteiligt sich seither als Minderheitsgesellschafter an dem Unternehmen.

Durch die verfügbaren liquiden Mittel und dem internationalen Erfolg der Softwareprodukte wird 2016 eine strategische Neuausrichtung beschlossen. Eine aggressivere Wachstumsstrategie bis 2020 soll die Weiterentwicklung aus dem Start-Up-Status hinein in den Mittelstand ermöglichen.

Insbesondere unter Berücksichtigung der Start-Up-Phasen ist das Investment von 2015 für Signavio der Entwicklungsschritt in die Wachstumsphase. Im Folgenden wird aufgezeigt, welche organisatorischen und kaufmännischen Auswirkungen diese Transformation auf Signavio hat und welche Rolle die Finanzfunktionen dabei einnimmt.

3.6.2 Einordnung von Signavio in die Start-Up-Phasen

Wie bereits in Kapitel 2.1 ausgeführt wurde, durchlaufen Start-Ups verschiedene Entwicklungsphasen, welche sich unterschiedlich auf die Organisation auswirken. Signavio befindet sich derzeit in der zweiten Phase, der sog. Grow-Phase. Die Entwicklung brachte zentrale Veränderungen, welche in Abb. 10 dargestellt sind.

Abb. 10: Organisatorische Veränderungen innerhalb der Start-Up Phasen[1]

[1] Quelle: eigene Darstellung.

3.6.3 Seed-Phase

Bis zum Einstieg der Investoren ist die Etablierung der Produkte und der Marke das oberste strategische Ziel. Bereits in der Gründungsphase besitzt die Firma ein Minimum Viable Product (MVP), wodurch eine erfolgreiche Platzierung des Produktes am Markt möglich gewesen ist. Daher fokussierte man sich bereits frühzeitig auf eine Marktdurchdringung. Das Engagement in den ausländischen Märkten ist weniger ausgeprägt. Zwar befinden sich zwei weitere Vertriebsstandorte in den USA und Singapur, diese tragen jedoch einen sehr geringen Teil zum Gesamtumsatz bei.

Als Software-as-a-Service-(SaaS)-Anbieter setzt sich der Umsatz der Signavio GmbH zu mehr als 90 % aus jährlich wiederkehrenden Umsätzen oder Abonnements zusammen. Die Eigenschaft des Geschäftsmodells sowie die frühzeitige Gewinnung von Großkunden bringt die Firma in eine gesicherte Liquiditätsposition. Dennoch ist die Liquiditätssicherung das wichtigste finanzielle Ziel in der Seed-Phase, um auch die beiden Auslandsstandorte finanzieren zu können.

Signavio verfügt in dieser Phase über vier gleichrangige Abteilungen: Engineering, Sales, Marketing, Customer Service. Der Grad der Formalisierung ist gering. So versendet der Vertrieb bspw. Angebote, ohne formale Freigaben für Rabatte oder Produktkombinationen vorab einzuholen.

Die flache Hierarchie ist aufgrund der maximalen Anzahl von 100 Mitarbeitern sehr zweckdienlich und ermöglicht schnelle Entscheidungen. Kommunikationen zwischen den Beteiligten finden interdisziplinär statt (s. auch Abb. 11). So stimmt die Geschäftsführung mit den Engineering-Teams die Entwicklung neuer Produktkomponenten ab. Die direkte Kommunikation über alle Ebenen schafft einen erheblichen Freiheitsgrad in der Durchführung von operativen Maßnahmen. Eine Gremienstruktur ist in dieser Phase nicht vorhanden und auch nicht erforderlich.

Abb. 11: Entscheidungsstruktur Seed-Phase[1]

Das Reporting spielt in dieser Phase eine untergeordnete Rolle. Weder aus Unternehmenssicht noch aus Sicht externer Stakeholder gibt es Bedarf an einem umfangreichen Berichtswesen. Die externen Auswertungen beschränken sich auf die gesetzlich erforderlichen Jahresabschlüsse der Einzelgesellschaften sowie einige Wachstumskennzahlen für Marketingzwecke. Hauptmessgröße ist in dieser Phase die Liquidität. Die Zielgruppe für die erstellten Berichte ist klein und homogen. So werden die auf den Buchhaltungsdaten der Steuerberater erstellten Monatsberichte nur von den Gesellschaftern, welche auch gleichzeitig Geschäftsführer sind, verwendet, um einen Überblick über die Geschäftstätigkeit zu erhalten. Im Fo...

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