Leitsatz

1. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

2. Die Verschaffung von Versicherungsschutz durch einen Gebrauchtwagenverkäufer ist keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung; sie ist eine eigenständige, nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfreie Leistung.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 10 Buchst. b UStG

 

Sachverhalt

Ein Autohaus bot beim Verkauf von Gebrauchtwagen den Käufern eine Garantie für bestimmte Bauteile an, wobei die CG Versicherungsschutz gewährte. Der Käufer hatte im Schadensfall der CG den Schaden ausschließlich und unmittelbar über die Versicherung abzuwickeln.

Die Klägerin hatte erfolglos geltend gemacht, es handle sich um eine steuerfreie Verschaffung von Versicherungsschutz. Das FG (EFG 2001, 1323) beurteilte die Verschaffung des Versicherungsschutzes als unselbstständige Nebenleistung zu der steuerpflichtigen Lieferung des Gebrauchtwagens.

 

Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg. Der BFH betonte, dass die Klägerin zwar Versicherungsnehmerin war, die Kunden aber die aus dem Versicherungsvertrag resultierenden Ansprüche auf Schadensregulierung – auch durch einen anderen Reparaturbetrieb – unmittelbar gegenüber der CG geltend machen konnten. Weil die Versicherung insoweit die Einstandspflicht des Gebrauchtwagenhändlers vollständig ersetzte, war im Übrigen auch die Verwendung des Begriffs "Garantie" irreführend und zivilrechtlich problematisch.

Der durch die Zusatzzahlung erreichte Versicherungsschutz sei aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers keine Nebenleistung; für ihn mache es einen Unterschied, ob er lediglich einen Gebrauchtwagen kauft und dabei allenfalls Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Gebrauchtwagenverkäufer erhält oder ob er durch zusätzliche Zahlung einen Versicherungsanspruch gegenüber einem Versicherer erwirbt. Bestätigt wird diese Beurteilung durch die Kontrollüberlegung, dass das Zusatzentgelt für die "Car-Garantie" sonst nicht nur mit der Umsatzsteuer, sondern auch mit der Versicherungssteuer belastet wäre.

 

Hinweis

Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, sind steuerfrei (§ 4 Nr. 10 Buchst. b UStG). Versicherungsschutz verschafft ein Unternehmer, wenn er mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließt. Ist eine – verkaufsfördernde – "Car-Garantie" nicht lediglich eine "Verstärkung" der Gewährleistungsrechte des Käufers, sondern schließt der Autohändler mit einem Versicherungsunternehmen einen Vertrag zugunsten der Käufer, d.h. erhalten die Käufer einen Anspruch gegen die Versicherung, verschafft der Autohändler Versicherungsschutz.

Die Befreiung in § 4 Nr. 10 UStG soll die doppelte Belastung mit Versicherungssteuer verhindern. Dieser Gesichtspunkt ist auch bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Nebenleistung zur Autolieferung handelt, zu berücksichtigen.

Für die Abgrenzung selbstständige Leistung/Nebenleistung gelten – richtlinienkonform – folgende Gesichtspunkte: Eine Nebenleistung liegt nur vor, wenn

  • diese Leistung für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat,
  • wenn sie (nur) das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Maßgeblich ist die Sicht des Durchschnittsbetrachters.

Darüber lässt sich sicher – wie so oft – im Einzelfall trefflich streiten; nicht aber, wenn die Leistung darin besteht, dass der Leistungsempfänger gegen zusätzliches Entgelt einen zusätzlichen Anspruch gegen einen Dritten – hier die Versicherung – erwirbt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.10.2002, V R 67/01

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