Entscheidungsstichwort (Thema)

Akteneinsicht nicht in den Kanzleiräumen des Bevollmächtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO haben die Beteiligten nur einen Anspruch, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einzusehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen zu lassen. Nach dieser Vorschrift können auch bevollmächtigte Rechtsanwälte nicht verlangen, die Gerichtsakten und Beiakten in ihrer Wohnung oder in ihren Geschäftsräumen einzusehen. Die in § 78 FGO getroffene Regelung trägt dem Recht auf Gehör ausreichend Rechnung.

2. Der Bundesfinanzhof verkennt die Bedeutung des Grundrechts des Art. 103 Abs. 1 GG nicht, wenn er ein Abweichen von der Regel des § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO nur in Sonderfällen gestattet.

 

Normenkette

FGO § 78 Abs. 1 S. 1; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 07.04.1981; Aktenzeichen VII B 6/81)

FG Köln (Beschluss vom 18.11.1980; Aktenzeichen IX 226/80 H (L))

 

Gründe

Die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs und die zugrundeliegende Entscheidung des Finanzgerichts Köln ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt.

Die Vorschrift des § 78 FGO, auf der die angegriffenen Entscheidungen beruhen, ist mit Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar. Art. 103 Abs. 1 GG geht davon aus, daß die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen bleiben muß (BVerfGE 9, 89 [95f.]; 18, 399 [405]). Das ist für die Möglichkeit der Akteneinsicht im steuergerichtlichen Verfahren durch § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO geregelt. Danach haben die Beteiligten nur einen Anspruch, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einzusehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen zu lassen. Nach dieser Vorschrift können auch bevollmächtigte Rechtsanwälte nicht verlangen, die Gerichtsakten und Beiakten in ihrer Wohnung oder in ihren Geschäftsräumen einzusehen.

Die in § 78 FGO getroffene Regelung trägt dem Recht auf Gehör ausreichend Rechnung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt das Recht auf Gehör, daß einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war. Diese Gelegenheit haben die Beteiligten auch dann, wenn sie die Gerichtsakten und Beiakten nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts einsehen können. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt nicht, daß die Beteiligten in der ihnen bequemsten und am wenigsten zeitaufwendigen Form von den der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen und Beweisergebnissen Kenntnis nehmen können. § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO versagt das Recht auf Gehör auch nicht in den Fällen, in denen aufgrund besonderer Umstände eine Einsichtnahme in den Akten in der Geschäftsstelle undurchführbar oder für die Beteiligten unzumutbar ist. Denn die Vorschrift schließt nicht aus, daß das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen dem Bevollmächtigten eines Beteiligten die Akten zur Mitnahme in sein Büro oder seine Wohnung überläßt.

Auch die Anwendung des § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO im vorliegenden Fall begegnet keinen Bedenken. Der Bundesfinanzhof hat die Bedeutung des Grundrechts des Art. 103 Abs. 1 GG nicht verkannt, wenn er ein Abweichen von der Regel des § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO nur in Sonderfällen gestattet. Einen solchen Sonderfall hat er beim Beschwerdeführer nicht gesehen. Diese Feststellung ist nachvollziehbar und frei von Willkür.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1614393

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