Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschluß ohne mündliche Verhandlung. rechtliches Gehör. mißbräuchliche Richterablehnung. Aufforderung zum Beitritt der obersten Landesfinanzbehörde

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es verletzt weder rechtsstaatliche Grundsätze noch den Gleichheitssatz, daß der Bundesfinanzhof nach Anhörung der Beteiligten gem. Art. 1 Nr. 7 BHEntlG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entscheiden kann, wenn er einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

2. Nach verbreiteter Ansicht in Rechtsprechung und Literatur dürfen die Gerichte Ablehnungsgesuche jedenfalls dann unberücksichtigt lassen, wenn sich aus der Ablehnung des gesamten Spruchkörpers oder aus der wiederholten Anbringung von Ablehnungsgesuchen ohne ausreichende Gründe ergibt, daß das Ablehnungsrecht mißbraucht wird.

3. Verfassungsrechtlich ist es schon deshalb nicht geboten, der Aufforderung des Rechtsmittelführers zu folgen, die oberste Landesfinanzbehörde zum Beitritt zum Verfahren aufzufordern, weil es der Behörde freisteht, ob sie der Aufforderung nachkommt oder nicht.

 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 7; GG Art. 103 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 42, 45

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 25.02.1982; Aktenzeichen IV R 179/80)

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist – mit Ausnahme der nicht hinreichend substantiierten Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG – zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 – BFHEntlG – bestehen nicht. Es verletzt weder rechtsstaatliche Grundsätze noch den Gleichheitssatz, daß der Bundesfinanzhof nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entscheiden kann, wenn er einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Durch diese Verfahrensvereinfachung sollten die Richter in einfacher gelagerten Fällen von häufig recht zeitraubenden Arbeiten entlastet werden, die weder für die Rechtsfindung im Einzelfall noch für die Wahrung der Rechtseinheit oder die Rechtsfortbildung wesentlich sind (vgl. BTDrucks. V/2849, S. 3; 7/3654, S. 3, 5). Diese Erwägung, die auf eine Beschleunigung und damit Effektivierung des Rechtsschutzes in der Revisionsinstanz abzielt, ist im Hinblick auf die besonderen Aufgaben der obersten Gerichtshöfe des Bundes sachgerecht. Sie gilt typischerweise nur in den Fällen, in denen die Revision sich als unbegründet erweist.

2. Der Beschwerdeführer ist durch die Mitwirkung des Senatsvorsitzenden an dem angegriffenen Beschluß nicht entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wäre dies nur dann anzunehmen, wenn die Besetzung des Senats insoweit auf willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 11, 1 [6]). Hierfür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Nach verbreiteter Ansicht in Rechtsprechung und Literatur dürfen die Gerichte Ablehnungsgesuche jedenfalls dann unberücksichtigt lassen, wenn sich aus der Ablehnung des gesamten Spruchkörpers oder aus der wiederholten Anbringung von Ablehnungsgesuchen ohne ausreichende Gründe ergibt, daß das Ablehnungsrecht mißbraucht wird (vgl. BVerfGE 11, 1 [5], 343 [348], jeweils m.w.N.; BFHE 105, 316 [318]; Zöller, ZPO, 13. Aufl., 1981, § 42 Anm. II lc, § 45 Anm. 2b). Dieser Auffassung ist der Bundesfinanzhof auch in dem angegriffenen Beschluß gefolgt. Der Beschwerdeführer hatte wiederholt Richter des Bundesfinanzhofs abgelehnt, ohne daß hierfür ausreichende Gründe vorlagen. Wie bereits in früheren Verfahren hat er auch mit dem vorliegenden Ablehnungsgesuch versucht, den gesamten Spruchkörper von der Entscheidung über seine Revision auszuschließen. Als Ablehnungsgrund hat er diesmal die angeblich rechtswidrige Verhandlungsführung des Vorsitzenden in einem früheren Verfahren herangezogen; dabei ist er trotz anwaltlicher Vertretung auf die für diese Verhandlungsführung maßgeblichen rechtlichen Erwägungen mit keinem Wort eingegangen, obwohl sie ihm bereits in jenem anderen Verfahren erläutert worden waren. Unter diesen Umständen war die Annahme naheliegend, daß der Beschwerdeführer auch mit diesem offensichtlich unschlüssigen Ablehnungsgesuch in Fortsetzung seines bisherigen Mißbrauchs des Ablehnungsrechts nur sein allgemeines Mißtrauen gegen die Mitglieder des für sein Anliegen zuständigen Revisionssenats äußern wollte.

3. Der angegriffene Beschluß beruht auch nicht insoweit auf einer Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze, als der Bundesfinanzhof der Anregung des Beschwerdeführers, die oberste Landesfinanzbehörde zum Beitritt aufzufordern, nicht gefolgt ist. Eine solche Aufforderung steht nach § 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung im Ermessen des Gerichts. Verfassungsrechtlich geboten ist sie schon deshalb nicht, weil es der Behörde freisteht, ob sie der Aufforderung nachkommt oder nicht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1611099

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