Kommentar

Der Kläger war mit mehr als 25% an der B-GmbH beteiligt. Die im Sommer 1983 beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der B-GmbH wurde mangels Masse abgelehnt. Die von der D-Bank gegen den Kläger aufgrund dessen Bürgschaft ab Ende 1983 vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen blieben wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers erfolglos. Der Kläger begehrte, für das Streitjahr 1983 einen Verlust i. S. von § 17 Abs. 4 EStG i. H. der gesamten Bürgschaftssumme (ca. 430.000 DM) zu berücksichtigen. Der BFH lehnte dies ab und führte im wesentlichen aus:

Bei der Ermittlung eines Auflösungsgewinns oder -verlusts nach § 17 EStG können zugunsten der aufgelösten GmbH eingegangene Bürgschaftsverbindlichkeiten des wesentlich beteiligten Gesellschafters nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt der Einkommensteuerveranlagung feststeht , daß der Gesellschafter seine Verpflichtungen aus der Bürgschaft wegen Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllen kann. Bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist die Passivierung von Verbindlichkeiten mit dem Rückzahlungsbetrag auch bei bestehender Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen durch das Gebot vorsichtiger Bilanzierung ( § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ) gerechtfertigt. Für die stichtagsbezogene Gewinnermittlung des § 17 Abs. 2 EStG kann dieser Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung jedoch nicht sinngemäß herangezogen werden.

Hier ist nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten zu entscheiden, ob in absehbarer Zeit mit einer Erfüllung der Verbindlichkeit zu rechnen ist. Letzteres trifft nicht zu, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, daß der Steuerpflichtige zahlungsunfähig ist ( Bürgschaft ; Anschaffungskosten ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 08.04.1998, VIII R 21/94

Anmerkung:

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können als nachträgliche Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung im allgemeinen auch Bürgschaftsschulden des Kapitalgesellschafters für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft berücksichtigt werden, wenn die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt und die Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft wertlos ist (vgl. z. B. BFH, Urteil v. 2. 10. 1984, VIII R 36/83, BStBl 1985 II S. 320).

Im Besprechungsurteil hat der BFH diesen Grundsatz im oben beschriebenen Sinne eingeschränkt . Er hat darauf hingewiesen, daß durch diese Abzugsbeschränkung schutzwürdige Interessen des betroffenen Gesellschafters nicht verletzt würden. Sollte sich nämlich entgegen der ursprünglichen Wahrscheinlichkeitsprognose herausstellen, daß der Gesellschafter infolge Besserung seiner wirtschaftlichen Lage doch Zahlungen aus der Bürgschaft leistet, führt dies über § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglich angesetzten Einkünfte aus § 17 EStG (siehe BFH, Urteil v. 21. 12. 1993, VIII R 69/88 , BStBl 1994 II S. 648).

Trotz der Parallelen des § 17 EStG zu § 16 EStG ist kaum zu erwarten, daß der BFH die im Besprechungsurteil entwickelten Grundsätze auf den Bereich des § 16 EStG ausdehnen wird. Dagegen spricht vor allem, daß die Bürgschaftsverpflichtung des Mitunternehmers – anders als die des wesentlich Beteiligten i. S. von § 17 EStG – zum (Sonder-)Betriebsvermögen gehört und für das Sonderbetriebsvermögen dieselben Gewinnermittlungsgrundsätze gelten wie für das gemeinschaftliche Vermögen der Mitunternehmerschaft.

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