Leitsatz

Ein gesondert festgestellter Grundbesitzwert entfaltet Bindungswirkung für alle Schenkungsteuerbescheide, bei denen er in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt auch für die Berücksichtigung eines früheren Erwerbs nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes.

 

Normenkette

§ 14 Abs. 1, § 1 Abs. 2, § 12 Abs. 3 ErbStG, § 179 Abs. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO, § 157, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BewG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte mit Wirkung zum 31.12.2012 von seinem Vater schenkweise einen hälftigen Miteigentumsanteil an unbebauten Grundstücken erworben (Vorerwerb). Für Zwecke der SchenkungSt wurden mit Feststellungsbescheiden jeweils vom 4.4.2016 die Grundbesitzwerte für alle übertragenen wirtschaftlichen Einheiten festgestellt. Der auf den Kläger entfallende Anteil betrug insgesamt 87.392 EUR. Die Feststellungsbescheide wurden bestandskräftig. Die festgestellten Grundbesitzwerte wurden dem SchenkSt-Bescheid für den Vorerwerb zugrunde gelegt. Die SchenkSt wurde mit 0 EUR festgesetzt.

Am 20.6.2017 erhielt der Kläger von seinem Vater unentgeltlich 400.000 EUR durch einen Forderungsverzicht (Erwerb). Das FA setzte für den Erwerb SchenkSt i.H.v. 9.603 EUR fest. Dabei berücksichtigte es den Vorerwerb mit einem Wert von 87.392 EUR.

Den Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass der Grundbesitzwert im Feststellungsbescheid vom 4.4.2016 unzutreffend festgestellt worden sei, der für den Vorerwerb herangezogene Wert im SchenkSt-Bescheid vom 27.9.2018 danach ebenfalls unrichtig und der Vorerwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert einzubeziehen sei, wies das FA als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.8.2021, 3 K 112/19, Haufe-Index 14933231).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Um ErbSt durch die mehrfache Ausnutzung der Freibeträge zu sparen, kann es sich lohnen, bereits zu Lebzeiten Vermögen zu übertragen. Dabei ist jedoch die Zehnjahresfrist des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG zu beachten. Erfolgen innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall Schenkungen des Erblassers oder innerhalb von zehn Jahren mehrere Schenkungen von demselben Schenker, so werden für die Berechnung der ErbSt alle diese Erwerbe zusammengerechnet. Es wird ein Gesamterwerb bestehend aus dem Vorerwerb (bzw. den Vorerwerben) und dem Letzterwerb ermittelt. Aus diesem Gesamterwerb ergibt sich die SchenkSt durch Abzug des zu gewährenden persönlichen Freibetrags und anschließender Anrechnung des anzuwendenden Steuersatzes. Von der so errechneten Steuer wird die bereits festgesetzte und gezahlte Steuer auf die Vorerwerbe abgezogen.

2.§ 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbstständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst, noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist.

3. Aufgrund der Selbstständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe ist nach der Rechtsprechung des BFH der in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehende Vorerwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert dem letzten Erwerb hinzuzurechnen. Wurde bei der vorangegangenen Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ein falscher Wert berücksichtigt oder ist keine Steuerfestsetzung für den Vorerwerb erfolgt, kann dies bei der Berechnung der Steuer des Nacherwerbs korrigiert werden.

4. Dies gilt jedoch nicht, wenn bei dem Vorerwerb der Wert des verschenkten Grundbesitzes bestandskräftig festgestellt worden ist. Denn ein Bescheid, der nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG den Grundbesitzwert auf den Bewertungsstichtag für Zwecke der SchenkSt feststellt, ist bindender Grundlagenbescheid i.S.d. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für alle ihm nachfolgenden SchenkSt-Bescheide, bei denen der Grundbesitzwert – auch als Vorerwerb i. S. d. § 14 ErbStG – in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt.

Praxistipp

Wird der festgestellte Wert als zu hoch angesehen, muss gegen den Feststellungsbescheid Einspruch eingelegt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich bei der ersten Schenkung aufgrund des Freibetrags keine SchenkSt ergibt. Wird der Wertfeststellungsbescheid bestandskräftig, ist dieser Wert bei der Berechnung der Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG innerhalb der Zehnjahresfrist auch bei weiteren Schenkungen dem Gesamterwerb zugrunde zu legen.

5. Die unterschiedliche Behandlung von Werten abhängig davon, ob sie in einem gesetzlich angeordneten gesonderten Feststellungsverfahren festzustellen sind oder eine solche Feststellung nicht vorliegt, verstößt nicht ge...

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